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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland
Autoren: Marcia Muller
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salzigen
Staub und geborstenen Stein. Und immer, wenn sich die Erinnerung nicht mehr
fortschieben ließ, waren da der Berggipfel in Flammen und die Asche, die sich
über die Stadt legte, in der nun auch der letzte Traum gestorben war.
    Diesmal hatten wir zur Abwechslung
einen nassen Winter. Feuchtgraue Tage machten mich schon immer depressiv, doch
dieses Jahr sank meine Stimmung noch tiefer, und das hielt auch noch länger an
als sonst. Die Ereignisse im Stone Valley blieben für Wochen in den
Nachrichten. Wie erwartet, versuchte Lionel Ong, aus seiner selbstverkündeten
Heldentat den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Die Coalition jedoch setzte dem
ein Ende und legte in einer Pressekonferenz Details über die Machenschaften von
Transpacific auf den Tisch. Mit dem Nachlassen des Medieninteresses bekam dann
auch mein Leben wieder den Anschein von Normalität.
    George und ich schoben die Aussprache,
die wir einander versprochen hatten, vor uns her. Seit meiner Rückkehr aus Mono
County hatte sich ein Schleier von Fragen zwischen uns gelegt, die er besser
nicht stellen und auf die ich besser nicht antworten sollte. Selbst unsere
guten Stunden waren getrübt von übertriebener Höflichkeit und Vorsicht. Wir trieben
ohne Ziel dahin, so wie Hy und ich im Boot auf dem Tufa Lake.
    Zum Erntedankfest gaben wir in Georges
Wohnung eine große Dinnerparty. Anders als vor meinem Ausflug in die Hochwüste
fühlten wir uns jetzt in größerer Gesellschaft wohler als zu zweit. Es kamen
drei Kollegen von George, die meisten Leute von All Souls und noch ein paar
andere Freunde. Das Aufräumen nahm einen geschlagenen Tag in Anspruch.
    Anfang Dezember wurde Ned Sanderman der
unbefugten Beseitigung einer Leiche und der unterlassenen Anzeige eines Mordes
für schuldig befunden und verurteilt. Dadurch, daß er sich schuldig bekannt
hatte, bewahrte er mich davor, noch einmal ins Mono County fahren und an dem
Prozeß gegen ihn teilnehmen zu müssen. Mich bewegten in dieser Hinsicht seltsam
gemischte Gefühle — und einen Augenblick lang fragte ich mich, warum.
    Etwa zur gleichen Zeit kam Anne-Marie
nach San Francisco zurück und verkündete, ab jetzt von daheim aus mit der
Coalition zusammenzuarbeiten. Ein begeisterter Hank organisierte ein großes
Chili-Essen ihr zu Ehren, und gnädigerweise gestanden wir ihm zu, es sei
tatsächlich sein drittbestes aller Zeiten gewesen.
    Vor den Feiertagen erhielt ich noch
Lily Nickles’ Adresse in Reno und schickte ihr ein neues Pendleton-Shirt als
Ersatz für das, das ich ihr ruiniert hatte. In ihrem Dankesbrief schrieb sie
mir, sie habe Angst vor Aids bekommen und sich deswegen für einen ordentlichen
Job entschieden. Wenn ich meine Gefühle aber mal wieder durchpusten lassen
wollte, sollte ich mich bei ihr melden. Sie sei noch immer »ganz schön
shocking«.
    Und George und ich trieben weiter
dahin. Er fragte, ob ich mit ihm über die Feiertage auf die Bahamas flöge. Doch
bei dem Aufruhr, der gerade in meiner Familie herrschte, fühlte ich mich
verpflichtet, mich dort sehen zu lassen. George schien nicht allzu enttäuscht
und beschloß, allein zu fliegen.
    Nach den üblichen Vorfeiern in der City
flog ich am Weihnachtsabend nach San Diego und verbrachte ihn, nach
anfänglichem Widerstreben, bei Ma und »diesem Mann« in ihrem neuen Haus in der
Seniorengemeinschaft von Rancho Bernardo. Melvin Hunt erwies sich als ein
charmanter Mann, und Ma so glücklich zu sehen, schob meine meisten Vorbehalte
beiseite. Aber als ich sie schüchtern fragte, ob ich mir ein Kleid für die
Hochzeit kaufen sollte, sagte sie, ich sei wohl verrückt zu glauben, sie würde
in ihrem Alter noch einmal heiraten. Am ersten Weihnachtstag traf ich meinen
Bruder John und seine Kinder, Charlene und Ricky und ihre Brut und dazu die
halbe Savage-Musikband in unserem alten Familienheim, wo wir für Pa ein Dinner
gaben. Er war in guter Verfassung und trieb sich auch den ganzen Tag nicht
einmal in der Nähe seiner Garage herum. Und damit verschwanden nun meine
letzten Vorbehalte.
    Im Januar erhielt Rae vom Staat
Kalifornien ihre Lizenz als Privatdetektivin. Das feierten wir alle zusammen im
Remedy Lounge, und als wir beide nach einem Toast anstießen, merkte ich, daß
die Distanz zwischen uns abzunehmen begann.
    Im Februar bat mich George noch einmal,
zu ihm zu ziehen, aber ich hatte das Gefühl, sein Vorschlag war bestenfalls
halbherzig gemeint. Wir trieben jetzt schon so lange dahin, daß keiner von uns
wirklich noch an ein
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