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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland
Autoren: Marcia Muller
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des
Managens und der Beherrschung einer gestellten Aufgabe übt. Ich habe eine
Abneigung gegen diese blutlosen Individuen, mehr noch, ich fürchte mich vor
jedem einzelnen von ihnen. Sie sind diejenigen, die eines Tages den Ausverkauf
der Welt betreiben werden, wenn sie dabei ihre eigenen, sonderbar
intellektuellen Spiele gewinnen können.
    Warum also Sanderman helfen?
    Vielleicht, weil ich unter all seinen
Lügen und Schutzbehauptungen ein Gefühl für Humanität gespürt hatte. Weil unter
all diesen falschen Angaben sich doch eine Spur von Wahrhaftigkeit verbarg —
und Schmerz. Ich erinnerte mich an sein Gesicht, als er mir gesagt hatte, sein
ganzes Leben sei völlig beziehungslos verlaufen. Ich hörte, wie hohl es klang,
wenn er stolz von seiner selbstauferlegten Isolation zu erzählen versuchte. Wie
ich schon zu Hy gesagt hatte, als wir nachts zusammen auf dem See ruderten:
Vielleicht gab es da tatsächlich irgend
etwas. Vielleicht gab
es für Ned Sanderman eine Hoffnung...
    Kristen sagte zu mir: »Der
Polizeihubschrauber fliegt noch einmal zum Stone Valley hinüber. Wenn Sie beide
sich beeilen, nimmt er Sie mit nach Vernon.«
    Ich sah Hy an. Er nickte und stand auf.
Ich schloß mich an und sah weder Sanderman noch seinen Anwalt noch einmal an.
Kristen Lark begleitete uns zur Tür.
    »Sharon«, sagte sie und drückte mir die
Hand, »auch ich stehe in Ihrer Schuld. Sehr sogar.«
    »Vielleicht muß ich die Schuld eines
Tages mal einfordern. Werweiß?«
    »Bis dahin kommen Sie mal wieder her.
Dann gehen wir fischen, ziehen durch die Bars oder tun dies und das. Okay?«
    »Okay«, sagte ich und wußte, daß ich
das nie tun würde.
    Auf dem Weg nach draußen sah ich Hy an.
Seine Kiefermuskeln waren angespannt vor Zorn — ob auf Sanderman oder auf mich,
weil ich Neds Geschichte gestützt hatte, wußte ich nicht. Er fragte mich: »Und
nun?«
    »Ich will nach Hause.«
    Er nickte und protestierte nicht. »Ich
fliege Sie nach Oakland.«
    Auf dem Flugfeld von Vernon angekommen,
rief ich Hank an und bat ihn, mich an der General Aviation in Oakland
abzuholen. Dann setzte ich mich auf eine Coke zum Besitzer des Platzes, während
Hy bei seiner Citabria den Pre-flight-Check machte. Ich hatte nicht in die
Feriensiedlung zurückgewollt, um meine Sachen abzuholen. Es wären mir dort zu
viele Fragen gestellt worden, und zudem konnte ich Margot Erickson jetzt nicht
gegenübertreten. Hy sagte, er werde Rose Wittington bitten, mir meine
Reisetasche in die City nachzuschicken.
    Der Tag dämmerte rosa über den Bergen
im Osten herauf, als wir starteten. Ich sah, wie der See sich pink färbte, warf
einen letzten Blick auf die Kalisalz-Ebene und die Krater der Vulkane im Süden.
Dann fiel ich in einen unruhigen Schlaf.
    Selbst als ich irgendwo über Livermore
wieder aufwachte, sprachen Hy und ich kein Wort. Die Vertrautheit zwischen uns
schien verflogen. Es war, als hätte die Gefahr, der wir gemeinsam ausgesetzt
gewesen waren, diese Nähe aufblühen lassen. In der weniger fruchtbaren
Atmosphäre der Sicherheit war sie gewelkt und gestorben.
    Als wir in Oakland auf den
Besucherbereich zurollten, sah ich Hank am Maschendrahtzaun beim Terminal der
General Aviation lehnen. Sein schläfriges Gesicht und sein vom Wind zerzaustes,
graumeliertes Haar erinnerten mich an das vertraute, bequeme Leben daheim.
Wortlos stieg Hy aus und half mir aus der Maschine. Dann drehte er sich weg und
zurrte die Ketten am Boden fest, um die Flügel zu sichern.
    Ich wartete. Er ging um die Citabria.
»Sie gehen jetzt besser«, sagte er. »Ihr Freund wartet.«
    »Er ist nicht mein Freund. Er ist mein
Boss, Anne-Maries Mann.«
    »Wer auch immer.«
    Es gab mir einen Stich, und ich wandte
mich ab und ging auf Hank zu.
    »McCone.«
    Ich ging weiter. Dann schaute ich über
die Schulter zurück. Er stand neben dem Flugzeug — Doppelglück-zwei-acht-neun —
, die linke Hand lag auf der oberen Tragfläche. »Ja?« fragte ich.
    Er warf mir einen langen, feierlichen
Blick zu und streckte mir den rechten Zeigefinger entgegen, genau wie an dem
Tag, als ich ihn kennenlernte. »Bin froh, daß Sie nicht auf Wiedersehen gesagt
haben«, meinte er. »Es hat nämlich noch nicht einmal begonnen mit uns.«

N achwort
     
    Die gelben Rosen kamen regelmäßig ins
Büro — jeden Dienstagmorgen eine, und nie hing auch nur eine Karte daran. Wenn
ich sie betrachtete, entstanden vor meinem inneren Auge die Bilder von
knorrigen Tufa-Türmen und eisblauem Wasser, von Geistergestalten im
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