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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland
Autoren: Marcia Muller
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hatte.
    Mrs. Wittington, die Besitzerin des
Willow Grove Lodge, schnitt gerade ein paar Chrysanthemen zurück, die in einem
Faß neben dem Eingang des Hauptgebäudes wuchsen. Sie sah mich, richtete sich
auf, schob sich eine schmutzige Baseballmütze aus der Stirn und stemmte die
Hand mit der Gartenschere gegen die gutgepolsterte Hüfte. Sie lächelte mich an,
wobei sich ihr sonnengebräuntes Gesicht in freundliche Falten legte.
    »Alles in Ordnung mit Ihrer Hütte?«
fragte sie.
    »Ja, einfach prima.«
    Sie nickte zufrieden. »Sie finden hier
rundum keine besseren — und bestimmt keine saubereren als meine. Und außerhalb
der Saison sind sie fast geschenkt. Ihre Freundin war richtig angetan von
unserer Vereinbarung. Natürlich war ich auch froh, sie als Mieterin zu haben.
Sie lassen es über ihren Rechtsanwalt laufen. Für mich sorgen solche Leute
dafür, daß dieser Ort nicht herunterkommt.«
    Mit »solchen Leuten« waren die
Umweltschützer von der California Coalition for Environmental Preservation
gemeint. Meine Freundin und frühere Kollegin Anne-Marie Altman hatte sich auf
unbestimmte Zeit von unserer Anwaltskanzlei, der All Souls Legal Cooperative in
San Francisco, beurlauben lassen, um ihnen als Chefberaterin zu dienen.
    Ich sagte: »Ich dachte, das Problem um
die Ableitungen des Wassers ins L.A. Basin wäre nahezu gelöst, so wie am Mono
Lake.«
    »Die Ableitungen? Ja, sicher.
Wahrscheinlich wird der Staat jetzt L.A. das Wasser bezahlen, das sie uns
stehlen wollten.« Sie schnaufte verächtlich. »Nein, das ist nicht mehr das
große Problem. Es ist die Goldschürferei.«
    »Die Goldschürferei?«
    »Draußen im Stone Valley.« Sie
schwenkte die Gartenschere nach Osten, Richtung Nevada. »Gab dort Ende des vorigen
Jahrhunderts einen Boom — in Promiseville. In den Zwanzigern ging es mit der
Stadt dann zu Ende. Seitdem hat es im Tal immer ein paar Goldschürfer gegeben,
hauptsächlich Leute, die verdammt in Ruhe gelassen werden wollen. Aber jetzt
hat sich eine fremde Gesellschaft die Schürfrechte gesichert und will auf die
große Tour loslegen.«
    »Und die Einwohner hier wollen das
nicht?«
    »Verdammt, nein. Wissen Sie, was das
für uns hier bedeutet? Der Krach. Die Verfahren, die sie anwenden — damit
würden sie die Luft verpesten. Gottes Schöpfung zerstören. Dann wäre es bald
auch egal, ob wir den Kampf um die Erhaltung des Sees für die Vögel und die
Leute, die ihn lieben, gewinnen. Uns bliebe nichts, und eine Bande von
verdammten Fremden bekäme das Gold.« Sie sah sich um und verzog das Gesicht in
traurige Falten. »Jede Nacht bete ich, daß es nicht passiert, aber ich bin
nicht sicher, daß Gott mich hört. Wäre das nicht ein Unding, wenn wir uns das
Wasser zwar erhalten, aber doch alles verlieren?«
    »Ganz bestimmt«, pflichtete ich ihr bei
und genoß beides — die Ironie der Situation und ihre seltsame Mixtur aus
religiösen und recht profanen Sprüchen.
    Wahrscheinlich waren das Auftauchen
dieser fremden Goldschürfer und ihre Pläne der Grund dafür, daß Anne-Marie mich
gebeten hatte, an diesem Wochenende zu ihr herauszukommen. Bei ihrem etwas
eiligen Anruf am Donnerstag — also gestern — hatte sie nur gesagt, ein paar
Dinge beunruhigten sie, und ihr wäre wohler, wenn ich sie überprüfte. Als ich
ihr sagte, ich hätte nur dieses Wochenende Zeit für sie und keinen Resturlaub
mehr, hatte sie gelacht und gemeint: »Ich bin sicher, dein Boss wird ein Auge
zudrücken, wenn ich dich noch über den Sonntag hinaus brauche.«
    Dessen war ich mir auch sicher: Hank
Zahn, mein nomineller Chef bei All Souls, war zufällig Anne-Marie Altmans Mann.
    Mrs. Wittington sah mich ängstlich an,
als erwarte sie ein paar beruhigende Worte. Ich sagte: »Ich bin sicher, die
Coalition wird die Zerstörung des Tufa Lake nach all den Anstrengungen, ihn zu
erhalten, nicht zulassen.«
    »Gute Vorsätze...« Sie zuckte mit den
Schultern und wandte sich wieder ihren Chrysanthemen zu. »Also dann. Wenn Sie
drüben in Ihrer Hütte etwas brauchen, lassen Sie es mich nur wissen.«
    Ich sagte, das würde ich tun, und ging
zu meinem MG.
    Den roten MG besaß ich schon seit
Jahren, seit meinem ersten Arbeitstag bei All Souls. Sein Äußeres konnte gerade
noch als ansehnlich durchgehen, aber dafür hatte ich mir im September selber
ein Geburtstagsgeschenk gemacht und den Motor überholen lassen. Die Fahrt zum
Tufa Lake war seitdem die erste lange Strecke gewesen. Die ganze Zeit — von San
Francisco über Stockton,
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