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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
Autoren: Ernst Peter Fischer
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der Ansicht, dass es bezüglich Atomwaffen und Kernenergie keine Geheimhaltung geben dürfe und »freier Zugang zu Information und ungehinderte Gelegenheit zu Gedankenaustausch überall zugelassen sein« müssten. Genau hierbei könnte die Organisation der Vereinten Nationen helfen, wie Bohr meinte, und seine Hoffnung sei, dass sich mit ihrer Hilfe »Einigkeit über eine Kontrolle der Atomrüstung« erzielen lasse. Es müsse mithilfe der UN-Organisationen der Versuch unternommen werden, »eine offene Welt mit ungehinderten Möglichkeiten gegenseitiger Information und gegenseitigen Verstehens« zu schaffen oder zu fördern, und es müsse jedem klar sein, »dass Wohlwollen und Achtung unter den Nationen nicht ohne freien Zugang zu Informationen über alle Aspekte des Lebens in sämtlichen Ländern bestehen können«. Bohr betonte immer wieder: »Das höchste Ziel muss eine offene Welt sein, in der jede Nation sich allein durch ihre Beiträge zur gemeinsamen menschlichen Kultur und durch die Hilfe behaupten kann, die sie durch ihre Erfahrungen und Hilfsmittel den anderen zu leisten vermag.«
    Bohr sah voraus, was heute im Zeitalter des Internets und der globalen Kommunikation verwirklicht worden ist: dass »die Kontaktmöglichkeiten die ganze Menschheit zu einer zusammenarbeitenden Einheit zu verbinden vermögen« und »das Wissen selbst die Grundlage jeder Zivilisation ist«. Allerdings räumte er in dem Brief
ein: »Jede Erweiterung der Grenzen unseres Wissens legt den Individuen und den Nationen durch die dadurch geschaffenen Möglichkeiten zur Veränderung des menschlichen Daseins eine vermehrte Verantwortung auf.«
    Kurz nach der Verlesung des Briefs brach der Koreakrieg aus. Die offene Welt blieb ein Traum, und Bohr äußerte sich nie mehr politisch.

AUSKLANG

»Gegensätze sind komplementär«
    Niels Bohr trat sein wissenschaftliches Leben lang vehement und unermüdlich für einen Gedanken ein, den er »Komplementarität« nannte. Die Idee der Komplementarität sollte ausdrücken, dass zu jeder einleuchtenden Erklärung einer Frage oder Tatsache, die etwas als Ganzes erfasst, eine zweite gehört, die gleichberechtigt neben ihr zu stehen hat, auch wenn sie auf Anhieb wie der Widerspruch der ersten erscheint. Gegensätze sind komplementär und fügen sich zu einem Ganzen – dem »completum« – zusammen. Das Licht versteht zum Beispiel nur vollständig, wer die auf den ersten Blick einander ausschließenden Vorstellungen von Welle und Teilchen bemüht und beide zu ihrer Zeit einsetzt. Und was Farben sind, versteht nur umfassend, wer sich sowohl wie Isaac Newton im frühen 18. Jahrhundert auf ihre physikalischen Aspekte – ihre Wellenlängen und materiellen Grundlagen – als auch wie Johann Wolfgang von Goethe im frühen 19. Jahrhundert auf ihre sinnlichen Qualitäten mit den dazugehörigen Empfindungen einlässt. Bohrs Gedanke geht tief, er braucht Gewöhnung und macht Mühe, wie das Beispiel von Goethe zeigt, der die Ansichten Newtons nicht akzeptieren konnte und heftig gegen sie polemisierte.
    Bohr selbst fand sein komplementäres Gegenstück in der Gestalt von Albert Einstein, wobei die beiden Giganten der Physik ihrer Zeit sich mit großem Respekt begegneten, da sie verstanden, dass ihre Argumente als gleichberechtigte aufeinanderprallten.
    Einstein erkannte in dem Dialog mit Bohr sehr genau, dass der Däne seine Ansichten immer als jemand formulierte, der noch tastend suchte und immer neu danach fragte, was sich über die Natur sagen lässt. Bohr agierte niemals als einer, der glaubte, definitiv im
Besitz der Wahrheit zu sein. Und er zweifelte auch hartnäckig daran, dass sein jeweiliger Gegenspieler diesen Anspruch erheben und seine Ansicht als die allein zutreffende vertreten könne.
    Bei Bohr blieb die Wahrheit offen. Seine Laune stieg und jede Müdigkeit verflog, wenn er sich im Gespräch auf neue Wege begeben konnte, um ein Gelände zu erreichen, von dem aus ein weiterer Blick auf das anvisierte Ziel einer umfassenden Darstellung des Wirklichen zu werfen war. Seine Gesprächspartner brachte Bohr damit oft zur Verzweiflung. Aber er tat dies mit einem derart freundlichen Lächeln und offenem Herzen, dass er von allen geschätzt und geliebt wurde, von seinen physikalischen Freunden und Schülern ebenso wie von seinen philosophischen Gegnern. Die im Gespräch mit ihm spürbare Intensität des Denkens war unwiderstehlich und übertrug sich auf den Partner.
    Saß man Bohr gegenüber, so hat es Carl
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