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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
Autoren: Ernst Peter Fischer
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entschlossen, sich für eine umfassende Waffenkontrolle in einer offenen Welt einzusetzen und sein ganzes Gewicht dabei in die Waagschale zu werfen.

Bohrs Besuch bei Churchill
    Nach Bohrs Rückkehr – er wollte so rasch wie möglich zurück in die Heimat – begannen seine Freunde und Kollegen trotz größter Not und vieler anderer Sorgen damit, die Feierlichkeiten zu seinem sechzigsten Geburtstag am 7. November 1945 vorzubereiten. Wolfgang Pauli hatte bereits im Dezember 1944 ein Rundschreiben verfasst, mit dem Physiker in aller Welt – sofern sie zu erreichen waren – gebeten wurden, einen Beitrag für eine Bohr-Festschrift zu verfassen, die im Oktober 1945 als Sonderheft der amerikanischen Zeitschrift Reviews of Modern Physics erscheinen sollte.
    Es gab natürlich viele Schwierigkeiten – vor allem kam kaum ein Kontakt zu holländischen Physikern zustande –, und pünktlich fertig wurde nur eine dänische Festschrift. Aber Bohr und die anderen Forscher hatten wieder Mut geschöpft und hofften, den alten »Geist von Kopenhagen« wiederbeleben zu können. Ein erster Schritt in diese Richtung war eine Satire auf die Wissenschaft in Form eines Journal of Jocular Physics, das an seinem Geburtstag erschien. Die dänische Regierung sagte ihm umfangreiche finanzielle Förderung zu, und am Abend zogen rund 3000 Studenten mit einem Fackelzug am »Haus der Ehre« vorbei, das Bohr jetzt wieder bewohnte. Er bedankte sich tief bewegt in einer langen Rede, die niemand verstanden zu haben schien. Wozu auch? Bohr war wieder da, und es herrschte Frieden. Da konnte das Fest nur schön und unvergesslich werden.
    Bohr hatte sich bereits zu einem Zeitpunkt, als sich die Aufmerksamkeit der jüngeren Physiker ausschließlich auf physikalische und technische Probleme der Kernkraft richtete, große Sorgen um die Nutzung der Kernspaltung als Waffe gemacht. Durch ihre große Zerstörungskraft, aber mehr noch durch die bei der Explosion freigesetzten Radioaktivität und Rückstände stellten Kernwaffen eine ernste existenzielle Bedrohung nicht nur für die Menschheit, sondern für das gesamte Leben auf der Erde dar. Bohr sah vor allem, dass es kurzfristig zu hegemonialen Konflikten sowohl um den Besitz von Kernwaffen als auch um die nötigen Informationen und die
entscheidenden technologischen Kenntnisse kommen würde. Dies wollte Bohr möglichst verhindern. Daher versuchte er bereits vor 1945 – also vor dem ersten Einsatz einer Kernwaffe –, Vorschläge für internationale Kontrollmaßnahmen zu entwerfen. Er forderte Offenheit gegenüber allen Partnern, denn nur ein universeller Vertrag im gegenseitigen Vertrauen schien ihm eine sichere Zukunft zu gewährleisten.
    Spätestens Anfang 1944 vertrat Bohr die Ansicht, »dass fortwährende ernsthafte Gefahren für die Sicherheit der Erde entstehen würden, wenn man nicht allgemein Einigkeit über die Durchführung von Maßnahmen erzielen könnte, um den Missbrauch der neuen fürchterlichen Zerstörungsmittel zu verhindern«. Bohr galt als moralisches Oberhaupt der Physiker, und es gelang ihm, seine besorgte Sicht der atomaren Waffenentwicklung den verantwortlichen Politikern der britischen und der amerikanischen Regierung persönlich vorzutragen. Er nahm Kontakt mit Felix Frankfurter, einem Berater von Franklin D. Roosevelt, auf. Der amerikanische Präsident ließ mitteilen, er interessiere sich für Bohrs Vorschlag, warte aber auf eine Initiative Churchills. Daraufhin schickten die Amerikaner Bohr in geheimer Mission nach London.
    Bohr dachte längst über den aktuellen Krieg mit Deutschland hinaus, er hatte bereits die kommenden Friedenszeiten im Sinn. Er wollte Churchill darlegen, dass die westlichen Staaten mit einer ersten Kernwaffe zwar kurzfristig Vorteile gegenüber der Sowjetunion und ihren Verbündeten haben könnten, dass der Ostblock aber bestimmt bald auch die Technologie beherrschen und eine solche Bombe zu produzieren imstande sein würde. Bohr kannte seine russischen Physikerkollegen viel zu gut. In diesem Fall gäbe es ein Patt der Waffen bei gegenseitigem Misstrauen. Wenn hingegen die westlichen Staaten sich dem Ostblock gegenüber offen zeigten und ihn durch ausreichenden Austausch von Informationen zum Mitwisser der Kernwaffentechnologie machten, hätte man ebenfalls ein Patt, aber diesmal bei gegenseitigem Vertrauen. Die Russen und ihre Verbündeten wüssten dann, dass sie vom Westen nichts zu befürchten hätten, und die Großmächte könnten sich sogar darauf
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