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Nie wieder Ferienhaus

Titel: Nie wieder Ferienhaus
Autoren: Bernd Stelter
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Oder vielleicht gab es das jeden Abend, und ich nahm es nur an diesem Abend wahr.
    Die Fahrradständer zwischen Parkplatz und Strand waren schon ziemlich verwaist. Es war nach acht, ich wusste eigentlich gar nicht, wie lange der Zeerover geöffnet hatte.
    Es war schon eine klasse Idee, die Terrasse mit Glaswänden vor dem Seewind zu schützen. Es war angenehm warm, auch noch um diese Zeit. Die tief stehende Sonne über dem Meer, das konnten Eltern von drei- und fünfjährigen Kindern gar nicht erleben, wenn nicht gerade die Schwiegereltern zu Besuch waren.
    Am Strand waren heute gleich fünf Leute mit Kopfhörern unterwegs. Nicht mit diesen kleinen Ohrsteckern, sondern mit richtigen Kopfhörern. Zu diesem Siebziger-Jahre-Modell gehörte noch eine Stange, die man vor sich her schwenkte. Unten an der Stange war eine tellerähnliche Apparatur angebracht. Alles zusammen, also Kopfhörer, Stange und Teller, ergab einen Metalldetektor. Damit suchte man abends den Strand ab nach Münzen oder Armbändern, und wenn man Glück hatte, hatte Königin Beatrix genau an diesem Tag ihre Krone hier am Strand verloren.
    Die Realität war natürlich profaner. Man fand wahrscheinlich eher mal ein vergrabenes Schäufelchen und jede Menge Verschlüsse von Coladosen.
    Der Kellner mit der Pfeife hieß Robert, das wusste ich mittlerweile, er kam an unseren Tisch, ich glaube, die Pfeife brannte jetzt tatsächlich. Wir hatten noch gar nicht in die Karte geschaut! Macht nichts, er würde wiederkommen.
    Auf der Terrasse saßen vielleicht noch zwölf Leute, und Anne und ich amüsierten uns über die Speisekarte. Glühwein! Das konnte man sich an einem solchen Abend wirklich nicht vorstellen.
    Uitsmijter , das sollte eine Art Strammer Max sein, das hatte ich schon mal irgendwo gehört, aber was zum Teufel waren Sliptongetjes ? Es waren kleine Seezungenfilets, und die waren im Zeerover göttlich!
    Eigentlich brauchte ich kein Grimbergen. Ich war happy! Die Sonne berührte jetzt bald die Nordsee, und in dem Moment, als es passierte, erklang plötzlich Musik, »erklang« ist vielleicht das falsche Wort: Die Lautsprecheranlage auf der Terrasse des Zeerover war wirklich ausbaufähig. Aber das war uns in dem Moment egal. Es war Once upon a time in the West von … ich glaube, Morricone, aber sicher bin ich mir nicht. Ich hatte eine Gänsehaut auf den Armen, und jetzt schob sich ein dicker Frachter vor die Sonne, ein Segelschiff wäre noch romantischer gewesen, aber auch das war mir in dem Moment egal. Das Lied war genau in dem Moment zu Ende, als der letzte kleine Punkt Sonne am Horizont verschwunden war.
    Ich weiß, Sie werden jetzt sagen, noch kitschigergeht ja wohl gar nicht. Das stimmt, aber es stimmt nur, wenn man nicht gerade in diesem Moment auf der Terrasse des Zeerover sitzt.
    Es war immer noch warm, viele bunte Drachen in allen möglichen Formen und Farben spielten am Abendhimmel, und Robert mit der Pfeife hatte sich scheinbar vorgenommen, uns einfach einen schönen Abend zu machen.
    Wir verließen den Zeerover um kurz vor zehn. Wir gingen noch eben runter zum Meer. Es zog sich gerade wieder zurück, gesteuert von dem silbernen Mond, der als fast volle Scheibe gut zu sehen war. Es wurde immer dunkler, die ersten Sterne erschienen am Himmel. Jede Minute kamen weitere dazu. Entweder gab es hier mehr, oder man schaute zu Hause nicht so genau hin!
    Arm in Arm gingen wir den Weg vom Deich zu den Fahrrädern. Sie standen in den Fahrradständern an dem Naturschutzgebiet. Noch vielleicht hundert Meter. Da blieb Anne stehen.
    »Jetzt?« Sie legte mir die Arme um den Hals.
    »Hier?«
    »Wo denn sonst?«
    Ich griff den obersten Stacheldraht und den darunter liegenden. Ich zog die beiden Drähte so weit auseinander, dass sie hindurchschlüpfen konnte. Ich stieg auf den oberen Draht und sprang mit einem Satz hinterher.
    Da war irgendein Geräusch, das ich nicht näher identifizieren konnte. Vielleicht fühlte sich eine Fasanenfamilie aufgescheucht und suchte das Weite.
    Das Vogelschutzgebiet ist eine Dünenlandschaft, von einigen Gräsern und Büschen gegen die Erosion geschützt, mit Stacheldraht umzäunt, der – nicht wirklich wirksam – Eindringlinge abhalten soll.
    Wir stiefelten durch den verbotenen Sand, bis die Geräusche aus dem Zeerover nicht mehr zu hören waren.
    Vielleicht noch ein paar Möwen, ich weiß es nicht mehr. Vielleicht noch ein paar Sterne, das weiß ich noch genau.
    Sie blieb stehen, sie stieg aus ihrer Jeans, sie zog sich den
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