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Nie wieder Ferienhaus

Titel: Nie wieder Ferienhaus
Autoren: Bernd Stelter
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bellte und dann einen Handstandüberschlag rückwärts vollführte, konnte ich nur mit Mühe abwehren.
    Noch interessanter als der Spielzeugstand waren zwei Kaltblüter. Belgier, also nicht richtige Belgier mit einem rotweißen Nummernschild, sondern Belgier als Pferderasse. Belgier sind sozusagen die Diesel unter den Pferden. Langsam, gemütlich, sparsam im Verbrauch und enorm zugkräftig. Es waren zwei riesige Exemplare, die dort am Ende der Marktstraße standen, um für das am Abend stattfindende Ringrijden zu werben.
    Ringrijden ist eine alte Tradition in Walcheren und wahrscheinlich weit darüber hinaus.
    Schlanke Menschen reiten auf diesen dicken Pferden wie bei einem Ritterturnier mit hoher Geschwindigkeit auf an einem Seil befestigte Ringe zu, um die mit einer Lanze aufzuspießen. Bei jedem Ritt vermutet man zunächst ein leichtes Erdbeben, aber es sind doch nur die gewaltigen Hufe der riesigen Tiere, die den Boden unter unseren Füßen erzittern lassen.
    Mit jeder Runde wird der Ring kleiner, am Ende ist er nicht mehr viel größer als der, den Anne mir bei unserer Trauung auf den rechten Ringfinger steckte.
    Tristan und Edda durften die Pferde mit Möhren und Äpfeln füttern, sie durften sogar auf den Pferden sitzen, und für die beiden war der Verlauf des Abends somit geklärt.
    Wir saßen draußen und tranken Kaffee, und die beiden quengelten: »Papa, gehen wir nachher zum Ringereiten? Bitte, bitte, bitte!«
    Ich wurde von einer Antwort abgehalten, weil Norbert plötzlich völlig bedröppelt vor uns stand. Ich kam nicht einmal dazu, ihm von dem Fahrradzubehör-Marktstand in Noordkapelle zu erzählen. Und es war ein Glück, dass ich nicht dazu kam.
    »Kannst du dir das vorstellen? Ich stehe vor dem Zeerover an dem Fahrradständer und will meine Impala wieder aufschließen, da steht ein Typ vor mir, zeigt seelenruhig mit seinem blöden Zeigefinger auf mein Meisterwerk und sagt: ›Mein Fahrrad!‹ Ich sage: ›Das kann gar nicht sein, das Fahrrad habe ich bei uns auf dem Campingplatz auf dem Metallmüll gefunden!‹ – ›Mein Fahrrad, das wurde mir genau hier vor dem Zeerover in den Osterferien gestohlen. Und das war mein Konfirmationsfahrrad, daran hänge ich. Das hat für mich auch einen ideellen Wert! Ich hab das damals als Student eigenhändig lila gestrichen!‹«
    Ich ersparte mir den Einwand: »Hättest du dir lieber schwarzen Lack besorgt!« Dieser Gedanke war Norbert in den letzten zwei Stunden bestimmt schon zwanzigmal durch den Kopf gegangen.
    »Haben Sie das Fahrrad denn jetzt noch?«, wollte Walter wissen. »Nein, ich habe nur diese Visitenkarte:Gerhard Schulte-Overmühl aus Borken, Rechtsanwalt!« – »Ach, du liebe Güte, auch noch Rechtsanwalt, da haben Sie wirklich schlechte Karten!« – »Das fürchte ich auch. Ich gehe jetzt in die Kantine, und da trinke ich zehn oder zwölf Bier!« Er ergriff die Flucht.
    Walter ergriff die Initiative: »Heute macht ihr mal frei. Wir gehen mit den Kindern zum Ringrijden ! Wir kommen nicht vor zehn Uhr wieder, und ihr macht euch mal einen schönen Abend!«

So geht das nicht
    Niemand wusste, wie das Wetter würde. Wir haben die Kinder nach der Zwiebelmethode angezogen, einfach einige Pellen übereinander:T-Shirt, Pullover, Jacke, Regenjacke. Dann konnte man je nach Wetterlage ablegen, was einem gerade so passte. Es gibt ja kein schlechtes Wetter, es gibt nur …
    Freudestrahlend schoben unsere beiden mit Oma und Opa ab. Jetzt saßen wir da, vor unserem Wohnwagen. Keine Kinder, keine Mutter, die drei Meter entfernt schlief, nichts, was uns noch hätte hindern können …
    Aber so direkt von den Eltern zum Sex aufgefordert werden … das ging nicht!
    Wir saßen da! Wir dachten wohl beide dasselbe! »Sollen wir auf ein Grimbergen in den Zeerover fahren?«
    Wir nahmen die Barbourjacken vom Haken, versicherten uns, dass die Stempelkarte in der Tasche war, und holten uns die Räder. Wir mussten einen kleinen Umweg nehmen. Wegen des Ringrijdens mussten wir südlich am Dorf vorbei durch den Wijkhuisje Weg fahren.
    Manchmal am Abend zaubert die tief stehende Sonne über Walcheren ein Licht, das man gut sehen und genießen, aber nur schlecht beschreiben kann.Es ist ein Licht, in dem die Konturen schärfer erscheinen, ein Licht, in dem die Bäume und Büsche mehr Grüntöne haben als sonst. Es erinnert ein bisschen an Mallorca im Mai, wenn die Blätter der Feigenbäume so groß werden, dass der Baum endlich grün erscheint.
    An diesem Abend gab es so ein Licht.
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