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Nick Perfect – Bruder per Post

Nick Perfect – Bruder per Post

Titel: Nick Perfect – Bruder per Post
Autoren: Evan Kuhlmann
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Kiste.
    Ts-ts-ts-ts-ts, kicherte Nick, wie nur französische Roboter kichern können.
    Mas Kopf war jetzt nur noch wenige Zentimeter von der Kiste entfernt. Sie schob Styroporchips und Holzwolle beiseite und suchte nach der Ursache des komischen Geräusches.
    In diesem Moment richtete Nick sich auf, schlang wie wild seine Arme um meine Ma und küsste sie stürmisch ab. » Ma mère!«, stieß er zwischen den Küssen hervor. Ma mère heißt auf Französisch » meine Mutter«.
    Meine Ma rastete total aus.
    » Aaah!!! Tut dieses Ding weg!!!«, schrie sie und packte Nick, der ihr Gesicht immer noch mit Küssen bedeckte. » Hilfe!!!«
    Es war so witzig– Pa stand mit entsetzter Miene da, und Ma sah aus, als kämpfe sie mit einem liebeskranken Oktopus. Aber dann wurde alles sehr rasch total unwitzig.
    Ma schleuderte Nick von sich weg. Der Roboter landete auf der Couch und kollerte dann auf den Teppich; er war also nicht ernstlich beschädigt, aber eins seiner Augen löste sich, rollte über den Boden und blieb neben Pas Kommandostuhl liegen. Der Stuhl soll aussehen wie der von Captain Kirk aus Star Trek. Nicht sehr bequem. Pa sitzt als Einziger drauf.
    Das über den Boden kullernde Auge war auch nicht dazu angetan, Ma zu beruhigen, und ich fragte mich ängstlich, ob denn meine eigenen Augen fest in den Augenhöhlen saßen und ob ein Kind so etwas überprüfen konnte? Nick hockte zusammengesunken auf dem Boden, als hätte man eine ungeliebte Puppe weggeworfen.
    Ma warf Pa einen Blick zu– wenn ihre Augen Laserstrahlen ausgesandt hätten, wäre Pa jetzt ein Aschehäufchen. » Was hast du diesmal getan?«, wollte sie wissen. Ihre Unterlippe zitterte, und Ma sah aus, als würde sie gleich noch mehr ausrasten. Warum war Ma über Pas neueste technische Spielerei nur so außer sich? Ich hatte nicht die leiseste Ahnung.
    Bevor Pa irgendetwas sagen konnte– ich glaube, er brachte auch nichts mehr heraus–, marschierte Ma durchs Wohnzimmer und den Flur, verschwand in ihrem Büro knallte die Tür zu und schloss von innen ab.
    Pa seufzte, schlug die Fäuste aneinander und latschte zum Büro. Er bat meine Ma, die Tür aufzuschließen, damit sie reden könnten. Aber Ma zeigte ihm die kalte Schulter.
    Ich starrte Nick an, der zusammengefaltet auf dem Boden saß. Einer seiner Ventilatoren surrte. Keine Ahnung, ob Nick so programmiert war, dass er Traurigkeit empfinden konnte, aber er sah echt aus wie ein trübseliger kleiner Roboter.
    » Alles wird gut«, sagte ich zu ihm, aber insgeheim war mir klar, dass man ihn morgen nach Frankreich zurückschicken würde.
    Vielleicht war es ja das Beste, dachte ich, Nick loszuwerden, bevor es noch mehr Ärger gab. Aber er sah so wahnsinnig traurig aus, wie er da auf dem Boden hockte. Und er hatte so glücklich gewirkt, als er meine Ma erblickte. Ich war einfach nicht sicher, was wir tun sollten…

10.
    Eine Minute später, nach enormem Gesurre und ein paar Dutzend Clicks, kroch Nick wieder in seine Kiste und machte es sich zwischen den Styroporchips und der Holzwolle gemütlich. Ihm fehlte immer noch das Auge; in der leeren Augenhöhle sah ich rote und blaue Drähte und etwas, das wohl zu einem Schaltbrett gehörte. Es war, als sähe man bei einem Menschen die Eingeweide. Kein schöner Anblick.
    » Maman akzeptiert mich nicht«, sagte der Roboter. » Dateiordner werden gescannt… Dateiordner werden gescannt… Dateiordner werden gescannt…«
    Und wieder: » Maman akzeptiert mich nicht. Dateiordner werden gescannt… Dateiordner werden gescannt… Dateiordner werden gescannt…«
    Und wieder: » Maman akzeptiert mich nicht. Dateiordner werden gescannt… Dateiordner werden gescannt… Dateiordner werden gescannt…«
    Vermutlich durchsuchte Nick seine Ordner nach irgendwelchen Informationen, die ihm verstehen helfen sollten, warum die Frau, die laut Programmierung seine Mutter war, ihn von sich gestoßen hatte. Ich dachte, ich müsste etwas sagen.
    » Ich bin sicher, dass Ma dich akzeptiert, es ist halt einfach so, dass …« Dieser Satz begann klug, aber dann klang er plötzlich doof: » … Mädchen komisch sind.« Ja, Mädchen sind komisch, aber das weiß man ja, und diese Worte halfen Nick jetzt echt nicht weiter. Ich hatte meinen ersten Test als großer Bruder vermasselt. Große Brüder sollten jederzeit kluge Bemerkungen auf Lager haben. Nicht, dass ich Robo-Boy als meinen Bruder betrachtet hätte …
    Aber es war sowieso egal, denn Nick fand, was er in seiner Datenbank gesucht hatte.
    »
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