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Nick aus der Flasche

Nick aus der Flasche

Titel: Nick aus der Flasche
Autoren: Monica Davis
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endlich aus diesem düsteren und muffigen Haus herauszukommen. Aber er war wohl vielen zu alt, daher arbeitete er für Solomon. Oder wollte sein Herr ihn nicht mehr verkaufen, weil er ein fehlerhafter Dschinn der ersten Generation war?
    Fragen traute er sich nicht, denn zeigte er Neugier, bekam er die Peitsche zu spüren und wurde in die Flasche gebannt. Er hasste die Flasche, hasste dieses Haus, hasste Solomon und seinen blutigen Riemen …
    »Wo warst du so lang?«, zischte sein Meister. »Hast du mich nicht rufen gehört?«
    Demütig zog er den Kopf ein. »Es tut mir leid, Meister, ich war vertieft in meine Arbeit.«
    »Komm mit.«
    Die Kinder durften keine Dinge bei sich tragen, anhand derer sie identifiziert werden konnten. Seine Aufgabe war es, diese Gegenstände zu vernichten, während sein Meister die Jungen in die Flaschen bannte.
    Das Kind stand im Raum, den Blick starr in die Ferne gerichtet, und ließ es ohne zu murren über sich ergehen, dass Meister Solomon und er ihm alles abnahmen: eine Armbanduhr, eine Halskette und die Spardose, die sich der Junge unter dem Arm geklemmt hatte.
Prince’s Bay Wohltätigkeitsverein
stand darauf.
    Der Junge hatte Spenden gesammelt; er stammte von hier! Anscheinend hatte er an der Haustür geklopft. Sein Meister wurde unvorsichtig. Denn normalerweise holte er die Kinder nicht aus diesem Ort.
    Er wusste nicht genau, woher sie kamen, denn als sein Diener fragte er niemals nach. Sobald Meister Solomon ihn aus der Flasche befreite, waren die Jungen meistens schon da, sofern er nicht dazu verdonnert wurde, das Haus sauberzumachen.
    Er hatte in einem Notizbuch Adressen von Waisenhäusern gefunden oder anderen Orten, an denen sich Kinder aufhielten, wie Schulen, Bahnhöfe, Kinos, Parks, Spielplätze … dazu Karten von New York, New Jersey, Pennsylvania und Connecticut, auf denen sich zahlreiche rote Kreuzchen befanden. Meister Solomon holte sich die Kinder also niemals vom selben Ort und über viele Bundesstaaten verteilt.
    Während sein Herr die letzten Vorbereitungen traf, um den Jungen zu wandeln, ging er mit den Sachen nach oben, wo er sie im Kamin verbrennen würde. Er durfte nicht zusehen, was Solomon machte und welche Sprüche er benutzte. Trotzdem hatte er ihn schon öfter dabei beobachtet, kannte den Zauberspruch und die magischen Zutaten auswendig: Tollkirsche, roter Fingerhut, Mondstein, Silbernitrat und drei Tropfen vom Blut des Opfers …
    Vor dem Kamin blieb er stehen. Magische blaue Flammen loderten darin, doch er zögerte, die Sachen hineinzuwerfen.
    Sollte er den Jungen retten? Das fragte er sich zum hundertsten Mal. Denn wie sollte er es anstellen? Sein Meister war mächtig und er nur sein Handlanger, ein bedeutungsloser Diener, der keinerlei Kräfte besaß. Wobei er manchmal glaubte, dass tief in seinem Inneren Kräfte schlummerten, die er bloß nicht herauslassen konnte. Als ob er in einer Zwangsjacke steckte, so fühlte er sich oft. Bestimmt hatte Solomon einen Bann auf ihn gelegt.
    Seufzend gab er die Sachen ins Feuer und erschrak, als plötzlich die Haustür aufflog. Die hereinstrahlende Sonne blendete ihn, sodass er sich die Hand vor Augen halten musste. Sein Herz raste. Wer war das?
    Er erkannte die Umrisse einer Person, die ein Kleid trug. Als sie eintrat, kamen mächtige Schwingen zum Vorschein, die aus weißen Federn bestanden.
    War das ein Engel? Die junge Frau lächelte ihn an. Ihre blauen Augen strahlen und blonde Locken schwangen um ihr herzförmiges Gesicht.
    Emma …
    Auf einmal verwandelte sich das Blond in ein helles Braun und auch die Iriden nahmen eine dunklere Farbe an, leuchteten nun wie Zimt.
    Es war Julie! Und sie streckte die Hand nach ihm aus. Sie war gekommen, um ihn zu retten.
     
    *
     
    Nick schlug die Augen auf und blickte in ihr Gesicht. Sie schlief, ganz dicht bei ihm.
    Gott sei Dank, er hatte bloß geträumt, er war nicht mehr bei Solomon!
    Er war tatsächlich bei einem Engel. Julie hatte ihm das Leben gerettet – mit einem Wunsch, der allein ihr zugestanden hätte. So selbstlos, so gütig.
    In seiner Brust wurde es warm.
    Er betrachtete die winzigen Sommersprossen auf ihrer Nase, die dichten Wimpern und ihren schön geschwungenen Mund. Eine Haarsträhne war ihr über das Gesicht gefallen; Nick strich sie behutsam zurück. Da öffnete sie die Lider und lächelte ihn an.
    Sein Herz machte einen Doppelschlag. »Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Wie geht es dir?«, fragte sie leise.
    »Viel besser.« Er hatte keine Schmerzen
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