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Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Titel: Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
Autoren: Tim Frühling
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Dresdner gewitzt, Stuttgarter geizig und Frankfurter gramgebeugt, weil sie zwischen den Hochhäusern nie die Sonne zu sehen bekommen. Das! Ist! Alles! Quatsch! Ich kenne lustige Hannoveraner, freundliche Berliner, muffige Bayern, dröge Kölner, dumme Dresdner, warmherzige Hamburger, spendable Stuttgarter, volkstümliche Düsseldorfer und glückliche Frankfurter. Um mit diesen Vorurteilen aufzuräumen, lege ich der Gesellschaft für Konsumforschung die größte Studie in ihrer Geschichte nahe: Im ganzen Land mögen Forscherlein ausströmen, um anhand fest vorgegebener Kriterien die Freundlichkeit der Menschen zu testen. Wo man zum Beispiel für Ältere im Bus aufsteht. Wo man an der Supermarktkasse mit einem Lächeln empfangen wird. Und wo einem beim Lottospiel viel Glück gewünscht wird. Meine Einschätzung fürs Ergebnis: keine messbaren Unterschiede. Vielleicht ein kleiner Vorteil für ländliche Regionen, weil’s dort etwas weniger hektisch zugeht, die Großstädte werden sich von Kiel bis Freiburg nicht viel nehmen.
    Da fällt mir ein, dass die Idee auch für eine Focus-Titelstory taugen würde: »Die 100 unfreundlichsten Städte – mit über 1000 regionaltypischen Beschimpfungen im Beilageheft!«
    Oft sorgen ja erst die Dialekte dafür, dass den Menschen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Wenn zum Beispiel jemand in breitem Kölsch losröhrt, verortet man ihn tendenziell näher an der Gosse als ZEITmagazin-Rätsel lösend in einer Jugendstilvilla. In vielen Gegenden gehört es in der »besseren Gesellschaft« deswegen zum guten Ton, sich des Hochdeutschen zu befleißigen, selbst wenn es nur die »bessere Gesellschaft« Saarbrückens oder Zwickaus ist. Bayern und besonders Schwaben bilden hier allerdings eine Ausnahme. Hier handelt man nach der Maxime: Wer wirtschaftlich und grundsätzlich so erfolgreich ist wie wir, muss sich nicht mit Hochdeutsch abplagen, sondern kann schwätzen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Wenn man schon Jahr für Jahr Milliarden in den Länderfinanzausgleich reinbuttert, sollen sich wenigstens die Empfänger die Mühe machen, den Geber zu verstehen und bitte schön nicht umgekehrt.
    Vielleicht sind die Schwaben aber auch deswegen so erfolgreich, weil sie ein System entwickelt haben, längere Sätze auf eine Aneinanderkettung gutturaler Laute zu verkürzen und sich dabei gegenseitig auch noch zu verstehen. Wo der Hochdeutsche für die Frage »Gehst Du da hin?« locker zwei Sekunden verplempert, ist der Schwabe mit seinem »Gooschno?« mindestens 1,1 Sekunden im Vorteil – und so was addiert sich.
    Noch größer ist die Zeitersparnis beim Beispielsatz »Sagst du es ihm?«, was der Schwabe »Sächsschm« ausspricht – oder im weiblichen Falle »Sagst du ihr es?«: »Sächschres.« Zack, drei Worte gespart, in der Zeit kann man schon wieder einen Mercedesstern mehr reindrehen.
    Kritiker des schwäbischen Idioms monieren gerne, dass der Dialekt nicht wahnsinnig schlau klingt. An dieser Stelle mögen Subjektivität und Objektivität einen ihrer seltenen Spaziergänge Hand in Hand unternehmen. Aber in puncto Dialekt können sich die Schwaben zu den größten Gewinnern der Wiedervereinigung zählen. Denn seit es nach 1989 an allen Ecken zu sächseln begann, geht das Gipfelkreuz des Berges der unschlau klingenden Dialekte eindeutig an die Menschen zwischen Leipzig und Dresden, während die Schwaben nunmehr in Halbhöhenlage verharren, die sie aus den besseren Stuttgarter Wohnvierteln kennen.
    Ich habe Berlin vorhin »Spree-Athen« genannt und mich damit des Verwendens sinnloser Synonyme schuldig gemacht. Bis ein Text das Stadium erreicht hat, dass Berlin »Spree-Athen« genannt werden darf, müssen viele Seiten geschrieben, der Stadtname viele Dutzend mal gefallen – und alle besseren Synonyme aufgebraucht sein. Bis dahin gilt: Redundanz statt Varianz! Wobei viele Städte es geradezu darauf anlegen, denn es ist groß in Mode gekommen, sich einen – teilweise offiziellen – Beinamen zuzulegen. Angefangen hat es auf den Ortsschildern mit »Landeshauptstadt« und »Universitätsstadt«. Das ging ja noch. Mittlerweile nimmt der Hang zum Beinamen immer bizarrere Züge an. In Hünfeld bei Fulda prangt auf der Ortstafel der Zusatz »Konrad-Zuse-Stadt«, Darmstadt nennt sich »Wissenschaftsstadt«, und der offizielle Namenszusatz »Brüder-Grimm-Stadt« findet sich sowohl in Hanau als auch in Steinau an der Straße. In Hanau führte der Namenszusatz 2008 dazu, dass ein Raser
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