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Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Titel: Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
Autoren: Tim Frühling
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rühmen, in der Region mit der höchsten Dichte an internationalen Verkehrsflughäfen zu wohnen. Und viel zu rühmen gab es in Blieskastel bisher nicht.
    Wobei nahezu jeder Ort in Deutschland irgendeine Besonderheit hat, der ihn von der Masse abhebt. Und sei es nur die Lage. Was haben zum Beispiel List auf Sylt, Görlitz, Oberstdorf und Selfkant bei Aachen gemeinsam? Sie sind die Orte, die in Deutschland am weitesten nördlich, östlich, südlich und westlich liegen. Und damit die vier Mitglieder im Zipfelbund. Ja, dieses Wort klingt irgendwas zwischen erfunden, albern und anrüchig, ist aber existent. Der Zipfelbund präsentiert sich alljährlich auf den Feierlichkeiten zur deutschen Einheit, u.a. mit einer vierzipfeligen Wurst. Am Zipfelstand bekommt man außerdem den Zipfelpass, und wer nachweislich alle vier unterschiedlich sehenswerten Orte bereist hat, darf sich – naaaaa? – Zipfelstürmer nennen.
    Aber auch Orte ohne geographische Extremlagen glänzen gelegentlich mit schönen Einzelleistungen. Hellschen-Heringsand-Unterschaar im Schleswig-Holsteinischen Kreis Dithmarschen ist der Ort mit dem längsten Namen Deutschlands, das bayrische Kirchdorf am Inn konnte mit seiner Lage an der kürzesten Bundesstraße (B340, Länge 600 Meter) protzen, und Dierfeld in Rheinland-Pfalz ist die eigenständige Gemeinde mit den wenigsten Einwohnern (acht).
    Orte, die in die Liste der kleinsten eigenständigen Gemeinden kommen wollen, müssen zwangsläufig in Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein liegen, da nur in diesen Ländern Verbandsgemeinden den sonst üblichen Eingemeindungswahn verhindern konnten. Besonders heftig war der Eingemeindungsrausch in den siebziger Jahren in Nordrhein-Westfalen. Das Ruhrgebiet-Gesetz zum Beispiel (offiziell »Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Ruhrgebiet«) sorgte dafür, dass hässliche kleine Städte in hässliche große Städte eingemeindet wurden. Besonders gallig wurde darauf in Wattenscheid (jetzt Bochum), Kettwig (jetzt Essen) sowie in Gladbeck reagiert. Die stolze Heimatstadt des Schauspielers Armin Rohde sollte zusammen mit Kirchhellen der Stadt Bottrop zugeschlagen werden und fortan als Stadtteil ihr Leben fristen. Der scherzhafte Name des ungeliebten Neo-Konglomerats aus Gladbeck, Bottrop und Kirchhellen war Glabotki, es hielt nicht mal zwölf Monate.
    Genauso erfolglos und realitätsfern war seinerzeit die Idee, aus Gießen und Wetzlar die Stadt »Lahn« zu bilden. Allerdings waren die Hessen doof genug, den Budenzauber zwei Jahre nach NRW zu veranstalten, zu einer Zeit also, als Politiker schon hätten ahnen können, dass Bürger keine bengalischen Freudenfeuer zünden, wenn man ihre Städte zusammenlegt, umkrempelt und umbenennt. Lahn hielt immerhin 31 Monate. Ein Bonbon hatten die Lahn-Macher fürs Auto fahrende Plebs allerdings im Ärmel: Das L! Ja, schließlich war Lahn nach der Zusammenlegung eine veritable Großstadt und hatte sich damit das begehrte einbuchstabige Autokennzeichen verdient. War halt auch Zufall, dass das L noch frei war. Denn eigentlich war es Leipzig zugedacht gewesen, aber zu Lahn-Zeiten (1977–1979) mochte eben noch niemand so recht an die Wiedervereinigung glauben. Daher kann sich Wetzlar eines Podestplatzes der größten Wendeverlierer sicher sein: Zuerst war das L futsch – und dann auch noch die Postleitzahl 6330. Herrlich klang die 6 am Anfang nach dem milden Klima Südhessens, nach Weinlauben und reifen Pfirsichen. Eingetauscht gegen eine 35576 zum Beispiel, die den Eindruck macht, als könnte man nach einer kürzeren S-Bahn-Fahrt die Nordsee erreichen.
    Neben Postleitzahlen sind Autokennzeichen übrigens ein faszinierendes Hobby. Einige besonders prachtvolle Buchstabenkombinationen wurden kurz nach der Wende in den fünf »neuen« Bundesländern eingeführt. Ostdeutsche erkannte man nicht nur am Trabi oder am Wartburg, sondern auch an ihren vogelwilden Kennzeichen wie HHM, ASZ oder BSK (Hohenmölsen (heute Burgenlandkreis), Aue-Schwarzenberg (aktuell Erzgebirgskreis), Beeskow (mittlerweile Landkreis Oder-Spree). Zwei der drei ehemaligen Kreisstädte müssen so unbedeutend sein, dass meine Rechtschreibprüfung sie rot unterkräuselt. Leider erfolgte schon 1994 die erste Kreisreform in Ostdeutschland, deswegen laufen viele Kennzeichen aus. Wenn man sie noch sehen will, muss man ein Kfz erwischen, das zwischen 1990 und 1994 angemeldet wurde und bis heute nicht von einem Schlagloch verschluckt oder an
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