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Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante

Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante

Titel: Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
Autoren: Linda Francis Lee
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unbeteiligter Beobachter ihrem Porzellanpuppengesicht anmerken mochte. Und so erkannte sie, dass Miss Carlisle Wainwright-Cushing, die dramatische Szenen hasste, nahe daran war, eine ebensolche heraufzubeschwören. Wahrscheinlich begleitete sie mich nur aus reiner Überraschung aus dem Speisezimmer.
    Sobald sich die Schwingtür hinter uns geschlossen hatte, blieb ich abrupt stehen, im Anrichteraum direkt vor dem Kücheneingang, und drehte mich zu meiner Mutter um.
    »Oh …«, piepste sie.
    »Hör mal, ich kann unmöglich hierbleiben und dir bei deiner Scheidung helfen. Ich habe einen Beruf, erinnerst du dich? In Boston.«
    Ungerührt schaute sie mich an. »Hast du zugenommen, Liebes?«
    Nun hätte ich vielleicht die Augen schließen und bis zehn zählen sollen. Um Himmels willen, warum hatte ich mich von dieser Frau nach Texas zurücklocken lassen?

    »Und deine Haut kommt mir so trocken vor. Ich prahle wirklich nicht gern. Aber du weißt, wie berühmt ich wegen meiner jugendlichen Erscheinung bin. So gut sehe ich nur aus, weil ich auf mich achte. Wird bei den Pilgervätern kein Moisturizer verkauft?«
    Meine Mutter hegt eine prinzipielle Antipathie gegen alle Leute, die nördlich der früheren Grenzlinie zwischen Staaten mit und ohne Sklaverei leben. In ihrem persönlichen Wörterbuch bezeichnet sie die Neuengländer/ Neu-eng-län-der/Subst. (1620) als 1.: Pilgerväter (oder diverse Variationen), 2.: Yankee-fiziert, 3.: Schwächlinge, wie Thurston Howell der Dritte.
    Entschlossen ignorierte ich ihre Kritik und konzentrierte mich auf das Wesentliche - ein schwieriges Unterfangen, wenn sie mich wie eine Preisrichterin bei einem Schönheitswettbewerb taxierte. »Ich bin nur hier, weil du mich angerufen und behauptet hast, es würde sich um einen Notfall handeln.«
    Rings um ihre Augen zeigten sich die ersten Spuren einer inneren Anspannung. »Diese grässliche Scheidung ist ein Notfall. Wenn du das Problem nicht löst, es wäre mein Ende, das schwöre ich bei allen Heiligen.« Theatralisch presste sie eine Hand auf ihre Brust. »Glaub mir doch, Darling, ich brauche dich.«
    Ehrlich gesagt, es wäre maßlos untertrieben, meine Mutter »überlebensgroß« zu nennen. Sie hätte Bühnenschauspielerin werden sollen. Wahrscheinlich hätte sie diese Karriere auch verfolgt, wäre sie nicht ein direkter Abkömmling des texanischen Gründervaters Sam Houston höchstselbst, die Urenkelin des fünften Duke of Ridgely,
der in den späten Achtzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts in Texas eingetroffen war. Außerdem brillierte sie als Debütantin des Jahres, wenn sie auch ungern zugibt, vor wie vielen Jahren dieses Ereignis stattgefunden hat.
    Und da ihr Vermögen sogar die Millionen von Ross Perot übertraf, musste sie sich nicht dazu erniedrigen, auf einer Bühne zu agieren. Stattdessen hatte sie im richtigen Leben diverse Rollen gespielt, bis niemand mehr wusste, wer sie eigentlich war. (Ich glaube, meine Mutter weiß es selber nicht.)
    Ich weise darauf hin, dass ich eine gute Tochter bin - ich liebe meine Mutter, so wie ich meine ganze Familie liebe. Aber ist es erstaunlich, dass es mir leichter fällt, eine gute Tochter zu sein, wenn ich nicht mitten im theatralischen Getue meiner Mutter lebe?
    Zu dieser Erkenntnis war ich mit fünfundzwanzig Jahren gelangt. Damals tat ich das einzig Vernünftige, was ein vernünftiges Mädchen tun konnte. Ich öffnete den gro ßen Atlas in der Bibliothek von Wainwright House und betrachtete die Karte von Nordamerika. Dann schloss ich die Augen und tippte mit meinem Finger auf irgendeinen Punkt. Zufällig landete er im Atlantik, aber in der Nähe von Nova Scotia, Maine und Boston. Da ich mich nicht in eine Kanadierin verwandeln wollte und nicht wusste, was man in Maine tat - außer karierten Flanell zu tragen und Hummer zu fischen -, packte ich meine Sachen und brach zur Metropole der gebackenen Bohnen mit Sirup auf. Und so gelangte ich in eine Stadt, wo viele Leute auf ehrwürdigere Ahnen zurückblickten als ich.

    Noch besser: In Boston kannte niemand meinen Namen. Das bedeutete (was ich bei einer weniger vernünftigen Überlegung registrierte), dass ich mir aussuchen konnte, wer ich sein wollte - ein neues Ich/neu-es/Adj./ Ich/Subst. (2005): 1.: nicht Sam Houstons Abkömmling, 2.: keine Ururenkelin des Duke, 3.: nicht einmal Ridgely Wainwright-Cushing-Jameson-Lackley-Harper-Ogdens jüngstes Kind.
    Was für ein fabelhaftes Gefühl, nach Boston zu ziehen … Eine Befreiung. Und wenn die
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