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Nicht die Welt (German Edition)

Nicht die Welt (German Edition)

Titel: Nicht die Welt (German Edition)
Autoren: Karsten Krepinsky
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Stadt.
     
    Der Lastwagen fuhr aus der Ostkaserne hinaus und bewegte sich langsam in Richtung Sperrgebiet. Ungefähr zwei Dutzend Menschen saßen im hinteren Laderaum. Alle trugen die gleiche wasserundurchlässige graue Schutzkleidung. Es war die Uniform der Säuberer. Zudem saßen beim Einstieg zwei Wächter, die an den rot eingefärbten Schulterklappen ihrer grauen Schutzkleidung zu erkennen waren. Mit ihren neuartigen Schallgewehren sicherten sie die Fahrt ab. Um in das Sperrgebiet geschleust zu werden, hatte der junge Mann einen der beiden bestochen. Dieser hatte ihm auch die Schutzkleidung eines Säuberers besorgt. Für junge Menschen war es normalerweise unmöglich, hierher zu kommen. Es war ein Ort der Alten, für die in der Gesellschaft keine andere Rolle mehr vorgesehen war. Doch im Laderaum gab es außer ihm noch eine weitere Ausnahme von dieser Regel: eine junge Frau, die ihm unmittelbar gegenübersaß. Sie ist vielleicht Anfang zwanzig, also ein paar Jahre jünger als ich, dachte er. Was macht sie nur hier? Sie sollte nicht hier sein, sie hat die Zukunft noch vor sich. Wir sollten beide nicht hier sein. Der Lastwagen fuhr in schnellem Tempo weiter. Niemand redete. Er sah zu ihr hinüber, ihre Blicke begegneten sich. Erst einmal, danach häufiger und intensiver. Sie lächelte ihn an. Er versuchte, ebenfalls zu lächeln, doch schnell entfernte die Anspannung die Freundlichkeit aus seinem Gesicht. Der Lastwagen hielt.
     
    »Einfahrt Zone«, rief jemand aus dem Führerhaus. Die alten Männer zogen ihre Schutzbrillen und Staubmasken auf, schließlich fixierten sie die Kapuzen ihrer Schutzanzüge mit Kordeln. Der junge Mann und die junge Frau taten es ihnen gleich. Der junge Mann rückte seine Maske sehr sorgfältig zurecht. Ich darf auf keinen Fall die Stadt an mich heranlassen, dachte er. Ich darf sie nicht atmen und mich von ihrem Staub vernichten lassen, ich muss eine Eins bleiben. Es beruhigte ihn, dass er glaubte, nicht aus freien Stücken hierher gekommen zu sein, in die Stadt, in der er als Kind gelebt hatte. Er hatte einmal ein Arbeitsdokument seines Urgroßvaters in den Händen gehalten. Unter Beruf war »Tagelöhner« vermerkt. Und genauso verhielt es sich bei ihm. Nur sollte der Lohn für diese Arbeit, der Lohn eines Tages, ein Leben lang reichen. Der Lastwagen hielt an, ein Mann im Führerhaus rief: »Endstation Käseglocke. Alles aussteigen.«
     
    Es war mitten in der Nacht. Überall standen große Scheinwerfer, welche die Szenerie erleuchteten. Vor ihnen hatten weitere Lastwagen angehalten, an denen ebenfalls reges Treiben herrschte. Säuberer und Wächter stiegen aus, andere nahmen sofort ihren Platz ein und die Lastwagen fuhren wieder zurück. Hier wurde rund um die Uhr gearbeitet. Das war auch der Grund, warum er gerade jetzt in die Stadt gelangen konnte: Durch die vielen Menschen hier fiel er nicht weiter auf. Der Nachteil war, dass er seine Reise am Ort der Katastrophe fernab des Innenministeriums beginnen musste. Die Säuberer, die mit ihm gekommen waren, gingen zur großen Kuppel, die hell erleuchtet war. Ein offener Fahrstuhl war dort angebracht, der fortwährend Säuberer zu einem Gerüst beförderte, das die Kuppel wie eine Krone umfasste. Kräne hievten Baumaterialien hinauf. Als sein Blick weiter nach oben wanderte, bemerkte er an der Stelle, wo der Kuppelbau seinen Abschluss finden sollte, ein großes Loch. Zwei breite Schläuche ragten dort hinein. Ein lautes Knarren und Quietschen war zu hören. Er blickte weiter nach oben und sah das gigantische Luftschiff, aus dem die Schläuche kamen. Wahrscheinlich hat es Beton geladen, welcher über die Leitungen in die Kuppel gepumpt wird, dachte er. An der Außenhaut des Luftschiffs öffneten und schlossen sich Lamellenklappen, so dass es nahezu bewegungslos in der Luft stand. Was man von außen nur erahnen konnte, waren die inneren Kanäle, die das Luftschiff durchzogen: von vorne nach hinten, von rechts nach links und von oben nach unten. Sie trafen sich in der Mitte an einem großen, frei drehbaren Rotor. Je nachdem, in welche Richtung geflogen wurde, drehte sich dieser im Inneren und an der Außenseite öffneten sich entsprechende Klappen. Jemand zog an seinem Arm. »Komm. Junge, ich muss los!«, sagte sein Schleuser. »Du musst jetzt sofort gehen, bevor die anderen merken, wer du bist. Hier die Straße entlang und du wirst dein Ziel erreichen.« Der Wächter schob ihn in diese Richtung.
    »Danke«, sagte der junge Mann. Als er sich
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