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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition)
Autoren: Melvin Burgess
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Bestform.
    Also beschloss sie, ihn einfach aus dem Haus zu gruseln. Sie tanzte durch die Küche und fuchtelte dabei im Takt der Musik mit ihrem Löffel in der Luft herum.
    »Karma karma karma karma karma chameleon, you come and go, you come and go – oh-oh-oh.«
    Nick glotzte sie an, als hätte sie sich gerade in rosa Pudding verwandelt, und prompt bekam sie einen Lachanfall. Sie klammerte sich an die Tischkante und bebte vor Lachen.
    »Du spinnst doch«, sagte Nick. »Du magst das Lied nicht mal.«
    »Karma karma …«, fing sie wieder an.
    »Okay, das reicht, bin schon weg«, sagte Nick und sprang auf. Na bitte. Hat geklappt. Wie durch Zauberei. »Ich bin einfach zu schlau«, sagte sie zu sich, als er in sein Zimmer lief und seine Tasche holte.
    »Iss deinen Porridge«, befahl sie.
    Nick blieb im Flur stehen. »Aber du hörst auf mit dem Scheiß?«, sagte er.
    »Ich hör auf«, bestätigte sie.
    Er kam in die Küche zurück, denn den unwiderstehlichen Goldfischsirup konnte er einfach nicht stehenlassen. Er stellte sich vor die Anrichte, löffelte den Brei und fragte mit vollem Mund: »Was ist denn heute los mit dir?«
    Sie lächelte reumütig. »Prüfungsstress. Knastkoller. Ich bin total aufgedreht«, sagte sie.
    »Ist doch noch ewig hin bis zu den Prüfungen.«
    »Der Aufsatz. Bin spät dran. Der letzte war nicht gut genug, ich muss besser werden.«
    Nick knurrte. Typisch. Als Jugendliche hatte Muriel die Schule geschmissen, war früh von zu Hause weg, hatte Stütze kassiert und sich’s gut gehen lassen. Dann hatte sie Nick bekommen, war clean geworden, hatte sich gelangweilt, war wieder zur Schule gegangen und hatte gemerkt, dass ihr das Lernen leichtfiel. Zu ihrem großen Erstaunen. Sie hatte nicht gewusst, dass sie klug war. Früher hatte sie sich in der Schule ums Verrecken nicht konzentrieren können, aber jetzt, mit dreißig, konnte sie sich plötzlich stundenlang in Bücher vertiefen, ohne auch nur einmal aus dem Fenster zu gucken.
    »Wieder was zum Süchtigwerden«, hatte Jenny gesagt, ihre einzige Freundin von früher. Das stimmte. Muriel wurde unerträglich, wenn sie eine schlechtere Note als »sehr gut« bekam.
    Nick ließ sich Zeit. Er ging zurück in sein Zimmer, und seine Mutter musste ihn noch einmal vom Bett hochscheuchen. Als er sich dann endlich auf den Weg machte, war er nur fünf Minuten früher dran als sonst.
    Er knallte die Tür zu und stapfte los, die Tasche über die Schulter gehängt. Muriel schaute ihm nach. Vielleicht hatte Nick das frühe Aufstehen so durcheinandergebracht, dass er heute tatsächlich in der Schule landete. Sonst schlug er nämlich gerne eine andere Richtung ein. Ebenso häufig, wie er am Unterricht teilnahm, hing er zwischen den Wohnblocks rum oder spielte Fußball auf dem Bolzplatz oder rauchte hinter der Fabrik Zigaretten oder Joints.
    War schon ein schwieriger Brocken, ihr Junge. Sah zu gut aus, war zu schlau – ihm fiel einfach alles zu. Freunde, Schule, Arbeit, Mädchen. Er habe Führungsqualitäten, hieß es in der Schule. Doch leider war er kein Vorbild, sondern eher ein Anstifter. Wenn es irgendwo Stress gab, dann war Nick nicht nur meistens selbst daran beteiligt, sondern versuchte zudem, noch andere mit hineinzuziehen. Nick hatte – wie sein Vater – einen unverschämten Charme. Und den würde er bald wirklich dringend brauchen, wenn er sich nicht zusammenriss.
    Eines aber musste man ihm lassen – Nick war eine treue Seele. Das machte alles wett. Wenn Nick sich für einen Menschen entschieden hatte, dann hielt er zu ihm.
    Muriel blieb am Fenster stehen, bis Nick außer Sicht war, dann ging sie zurück in die Küche und holte ihr Zeug aus der Waschmaschine. Es wurde immer schwieriger, einen Platz außer Reichweite von Nick zu finden. Die Waschmaschine würde er nicht anrühren, da war sie sicher.
    Das Wasser im Kessel war noch heiß vom Teekochen, so dass sie schnell alles fertig hatte. Sie wollte es warm und gemütlich haben, also machte sie den Gasofen an und kniete sich auf den Teppich davor. Sie band sich den Gurt um und zog ihn mit den Zähnen fest, bis die Venen heraustraten – die kleinen Wege zum Vergnügen.
    Es war seit Ewigkeiten das erste Mal. Monatelang hatte sie sich mustergültig verhalten. Nein, eigentlich jahrelang, wenn man von winzigen Ausnahmen wie dieser absah. Ab und zu durfte man sich doch mal was gönnen, oder? War doch ein irrer Zufall, dass Mo gleich bei ihr um die Ecke in der Lime Road einen Bruder wohnen hatte. Sie
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