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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition)
Autoren: Melvin Burgess
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Nick knallte sich aufs Sofa und holte seinen geliebten Schlaf nach. Später guckten sie ein paar Filme – sie besaßen eine fast vollständige Looney-Tunes-Sammlung. Obwohl sie die Filme inzwischen in- und auswendig kannten, konnten sie immer noch darüber lachen.
    Dann fingen sie an sich zu langweilen. Das war das Problem beim Schwänzen, es gab nie genug zu tun und irgendwann wurde es öde. Aber immerhin hatten sie selbst in der Hand, was sie dann machten – anders als in der Schule, wo sie schier wahnsinnig wurden, weil sie an ihren Platz gefesselt waren und nichts daran ändern konnten.
    Mittags kramten sie in ihren Taschen nach Münzen und legten für eine Schachtel Zigaretten zusammen. Sie rauchten ein paar davon, die übrigen verteilten sie über den Nachmittag, den sie mit Fernsehen und Kartenspielen verbrachten. Die letzte Zigarette reichten sie herum und zogen den Rauch tief ein, als wäre es ein Joint und sie würden gleich voll abheben. Witzigerweise funktionierte das – am Ende hatten sie alle drei das Gefühl, high zu sein.
    »Das muss mit dem tiefen Einatmen zusammenhängen«, sagte Simon.
    Das war alles. Einfach abhängen. Quatschen, rumsitzen. Klar, es war langweilig und es passierte nichts, aber trotzdem war es super. Für Nick gab es nichts Schöneres, als mit seinen Freunden rumzuhängen und nichts zu tun.
    Um vier Uhr ging er nach Hause. Im Wohnzimmer saßen Jenny und eine kleine, dickliche, adrett gekleidete Frau, die er nie zuvor gesehen hatte.
    »Hallo«, sagte er. Er blickte sich um. »Wo ist Mum?« Genau in diesem Moment begann sein Herz wie wild zu klopfen, als wüsste es schon alles.
    »Nick«, sagte Jenny und hielt inne.
    Die gut gekleidete kleine Frau stand auf und streckte ihm ihre Hand entgegen.
    »Ich bin Mrs Batts. Baaatty Baats«, sagte sie im langsamen und gedehnten Tonfall Nordenglands. Dabei zog sie das »a« so lang, dass es fast komisch war. Sie klang wie ein Schaf. Nick grinste zu Jenny rüber, aber die warf ihm einen so gespenstischen Blick zu, dass ihm das Grinsen verging. Mrs Batts erwiderte sein Lächeln, weil sie dachte, Nick freute sich über den albernen Namen, mit dem sie sich vorstellte. Er nickte ihr zu und sah sich um.
    »Wo ist Mum?«, fragte er noch einmal.
    Was sollte Jenny sagen? Sie ist im Leichenschauhaus, Nick. Sie ist im Himmel. Sie ist bei denen, die sie liebt.
    Das stimmte ganz sicher nicht. Die beiden einzigen Menschen, die Muriel geliebt hatte, standen hier in diesem Raum.
    So platzte Jenny einfach damit heraus.
    »Sie ist tot, Nick. Ich bin hergekommen, und da habe ich sie gefunden«, sagte sie und brach in Tränen aus. Sie machte einen Schritt auf Nick zu, aber Batty Batts ging dazwischen und nahm Jenny in den Arm. Jenny reagierte nicht, stand einfach hilflos weinend da, die eine Hand vorm Gesicht, die andere hing seitlich herab, und ließ das Tätscheln der kleinen Frau über sich ergehen. Nick stand daneben und guckte zu.
    »Es tut mir soo leid, Nick. Es tut mir soo, sooo leid«, tönte Mrs Batts.
    Jennys Tränen schienen zu beweisen, dass es stimmte, trotzdem konnte Nick es nicht glauben. Er wollte durchs Haus laufen und nach seiner Mutter rufen – Menschen sterben doch nicht einfach so! Aber das Wort tot war so endgültig, dass er regungslos stehen blieb.
    »Was ist passiert?«, fragte er.
    »… ein Unfall«, murmelte Jenny.
    »Was für ein Unfall?«, wollte er wissen. Jenny schüttelte den Kopf, Mrs Batts blickte ihn an und schüttelte ebenfalls den Kopf. Nicht jetzt, schien das zu heißen, als handelte es sich um eine Sache, die nur Erwachsene etwas anging, um etwas Intimes, das man ihm nicht sagen konnte, obwohl er doch von allen Menschen auf der Erde derjenige war, der am ehesten das Recht hatte, es zu erfahren.
    »Es wird eine Weile dauern, bis es wirklich zu ihm durchdringt«, sagte Batty Batts zu Jenny und blickte Nick an. Sie entließ Jenny aus ihrer Umarmung und beide setzten sich. Nick stand noch immer da und wusste nicht, was er tun sollte, bis Jenny sich zusammenriss, aufstand und ihn in ihre Arme schloss.
    »Es ist verrückt, Nick, es ist einfach verrückt, oder?«, flüsterte sie. Sie drückte ihn sanft und ging dann Tee kochen. Batty Batts klopfte neben sich aufs Sofa.
    »Aalso, Nick, ich weiß, was für ein fürchterlicher Schoock das für dich ist.«
    Nick setzte sich neben sie. »Heute Morgen ging’s ihr gut«, sagte er.
    »Der Tod kommt immer überraaschend«, blökte Mrs Batts und wiegte ihr Haupt. »Die, die wir
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