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Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
Autoren: Bernhard Hennen
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Ungewißheit leben, daß du dich vielleicht schon morgen nicht mehr an deine Versprechen erinnerst. Du weißt einfach zuviel. Aber hab keine Angst. Ich werde dir nichts zuleide tun. Du hast sogar mein Wort, daß ich meine beiden Leibwächter davon abhalte, dich umzubringen. Möglicherweise wirst aber auch du ein Opfer der Morrigan oder ihrer Kreaturen. Ich fürchte, sobald wir hier fort sind, werden die Raben kommen, um ihren Leichenschmaus zu halten, und es könnte wohl sein, daß diese dummen Vögel in zwei oder drei Tagen nicht mehr so genau unterscheiden kö n nen, ob du nun schon verdurstet bist oder ob noch ein Rest L e ben in dir steckt.«
    Der Bischof stand jetzt dicht vor Golo. »Hiermit ernenne ich dich zum Vogt dieser Stadt. Es soll mir niemand nachsagen, daß ich mein Wort nicht halten würde. Leider sind diese Ru i nen und die überfluteten Felder rings herum nicht mehr zu brauchen. Ich fürchte, du wirst mein einziger Untertan hier sein. Genieße die Ruhe hier … «
    »Ich verfluche dich, Jehan de Thenac. Möge der König deine Lügen aufdecken und dich in seine Kerker zerren lassen. Möge dein Geschlecht mit dir verlöschen, du gieriger Bastard, und … «
    Der Bischof schüttelte den Kopf. »Wie ärgerlich, daß solche Burschen wie du zum Schluß immer ihr Empfinden für guten Stil verlieren. Weißt du, es ist nichts Persönliches, was zwischen uns steht. Ich möchte mir nur nicht in Zukunft jeden Morgen, wenn ich erwache, die Frage stellen müssen, ob dies vielleicht der Tag ist, an dem du mich verraten wirst. Du kannst sicher sein, daß ich in Zukunft auch dich in meine Gebete mit einb e ziehen werde. Ich möchte schließlich nicht, daß all die Verwü n schungen, die du in den nächsten beiden Tagen noch ausstoßen wirst, dein Seelenheil gefährden. So lebe nun wohl, Golo von Zeilichtheim, Bauernsohn, der du in nur einem halben Jahr zum Herrn einer Stadt aufgestiegen bist.« Der Bischof wandte sich ab und schritt, gefolgt von den beiden Söldnern, durch den Hohlweg zur tiefer gelegenen Burg hinab.

    Als Volker erwachte, zogen dünne Nebelschwaden über ihn hinweg. Es war hell. Er hatte die Schlacht überlebt. Doch in se i nem Schädel schien ein Specht gefangen zu sein, der unablässig von innen gegen seine Stirn hämmerte. Jeder Knochen in se i nem Leib schmerzte, und er hatte das Gefühl, eine Reiterkava l kade müsse über ihn hinweggaloppiert sein.
    Der Spielmann blieb lange liegen und lauschte auf die Gerä u sche rings um ihn herum. Aus den Augenwinkeln sah er die dunklen Schatten von Raben, die gekommen waren, um den Toten das Fleisch von den Knochen zu picken.
    Erst als Volker sicher war, daß keine Normannen in der Nähe waren, richtete er sich auf. Ihm war schwindelig und übel. N e ben ihm lagen die Leichen von Ambiorix und den beiden Kri e gern, die bis zuletzt mit ihm gekämpft hatten.
    Vorsichtig tastete der Ritter über sein Gesicht. Die rechte Seite war geschwollen und blutig. Schon die leichteste Berührung ließ ihn vor Schmerz aufstöhnen.
    »Geh in dein Grab zurück, böser Geist, dann werde ich dir nichts tun«, erklang eine vertraute Stimme. Volker tastete nach seinem Schwert.
    »Tu mir nichts zuleide, Geist. Ich bin gefesselt! Ich würde von hier fortlaufen, wenn ich könnte. Ich möchte dich nicht in de i nem letzten Schlaf stören.«
    Humpelnd ging der Spielmann auf den Kreis der stehenden Steine zu. Er traute seinen Augen kaum. An einen der Felsen war Golo, sein Knappe, gefesselt. Er trug ein Kettenhemd und einen Waffenrock wie ein Ritter. Sein Füße steckten in prächt i gen Reitstiefeln.
    »Was machst du hier?« Der Knappe blickte ihn verständnislos an. »Erkennst du deinen Herrn nicht mehr? Hat man mich wirklich so übel zugerichtet? Werde ich vielleicht in Zukunft kein angenehmer Anblick für die Damen mehr sein? Sei ganz ehrlich zu mir, Golo!«
    »Bist du es wirklich, Volker?«
    »Was fällt dir ein, mich so anzureden? Ich bin dein Herr! Und wenn ich dich so ansehe, erinnere ich mich, daß du mir noch ein Paar guter Stiefel schuldest.«
    »Die Jungfrau sei gepriesen, er ist es! Ich bin so froh, dich zu sehen und … «
    »Und deine Manieren haben sich in den letzten Monaten nicht sonderlich gebessert, du Flegel.« Volker durchtrennte mit e i nem Schwerthieb die Fesseln. Im Grunde war er froh, seinen Knappen wiederzusehen, auch wenn ihn die Art, wie Golo ihn anredete – so, als seien sie vom selben Stand –, ein wenig ve r wirrte. Der Knappe sah ihn noch immer an,
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