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Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
Autoren: Bernhard Hennen
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Frauen zugeredet zu gehen. Schließlich hatte sie es ihnen befohlen. Alle, die in der Festung zurückgeblieben waren, erwartete der Tod. Keine der Priest e rinnen hatte ihrem Glauben abschwören wollen. Auch eine Handvoll Krieger, die zu stolz war, um sich zu ergeben, harrte noch aus. Der einzige unter den Männern, den Volker kannte, war Ambiorix, der Vater der Morrigan. Der alte Mann hatte sein weißes Gewand abgelegt und trug wie die anderen Krieger Hosen aus buntem Stoff. Sein Oberkörper war mit blauen L i nien und Spiralen bemalt. Ambiorix stützte sich auf einen Speer und blickte zu den braunen Fluten hinab, die die Felder bedec k ten.
    Volker seufzte. Einen Augenblick lang hatte er das Schicksal der Stadt in Händen gehalten. Es wäre nicht schwer gewesen, die beiden Ritter, die von der Rampe gesprungen waren, ni e derzureiten. Doch der Kerl, der sich ihm in den Weg gestellt hatte, trug eine geschnitzte Mitra als Schmuck auf seinem Topfhelm. Waffenrock und Schild des Mannes waren von pu r purner Farbe, und als Wappen hatte er ein goldenes Kreuz g e führt. Der Ritter mußte ein Bischof gewesen sein. Ein Hirt der Christenheit! Volker hatte gegen ihn nicht das Schwert ziehen können. Er hätte damit alles verraten, was er an dem Tag g e schworen hatte, als Gunther ihn zum Ritter geschlagen hatte. Es war seine Aufgabe, gute Christen vor den Schwertern der He i den zu schützen.
    Der Spielmann blickte zu Gunbrid, die bei den Priesterinnen stand. Als Lehnsmann Gunther s hatte er einen Eid abgelegt, jederzeit für die Familie des Königs zu kämpfen. Und dann war da noch Neman. Wenn sie den Normannen in die Hände fiel, würde sie auf einem Scheiterhaufen enden. Wie auch immer er sich entschied, er würde auf jeden Fall gegen eines der Gebote des Rittertums verstoßen.
    Aus der Stadt erklang ein Horn. Die Krieger der Normannen begannen, sich zum letzten Sturm zu sammeln. Wahrscheinlich würden die da unten ihn nicht mehr sonderlich freundlich au f nehmen, wenn er jetzt noch durch das Tor kam. Damit war die Entscheidung gefallen. Er drehte sich zu den anderen um. »Wir sollten zum Heiligtum hinaufgehen.
    Die Hügelböschung und der Wall sind zu hoch, um dort mit Leitern hinaufzukommen. Hinter dem Tor gibt es einen Hoh l weg. Selbst wenn sie die Torflügel zertrümmert haben, werden wir uns dort noch eine Weile gegen die Übermacht halten kö n nen.«
    Die älteste der Priesterinnen trat ihm entgegen. »Neman hat mir gesagt, wer du bist. Du mußt nicht an unserer Seite sterben, fremder Krieger. Es gibt aus dem Heiligtum einen Fluchtweg. Wenn du dich verbirgst, bis die Sonne untergegangen ist, wirst du entkommen können.«
    Volker starrte die Frau ungläubig an. »Wir alle werden en t kommen können. Vielleicht schaffen wir es, die Normannen noch bis nach Sonnenuntergang aufzuhalten. Das sind noch höchstens zwei Stunden, und ich habe dort oben eine kleine Überraschung für sie vorbereitet, die sie noch für eine Weile aufhalten wird.«
    »Wir Priesterinnen können nicht gehen, denn die Morrigan hat beschlossen zu bleiben.«
    »Was soll das heißen? Ich rede mit Neman! Sie wird niemals wollen, daß ihr alle … «
    Die alte Priesterin zeigte zur anderen Seite des Platzes. Dort trat Macha aus dem Eingang des Langhauses. Sie trug ein hüf t langes Kettenhemd und war mit zwei Kurzschwertern bewaf f net. Von ihren Schultern wehte ein langer, schwarzer Umhang.

    Der Hohlweg, der hinter dem Tor zum Heiligtum durch die Hügelflanke schnitt, war so schmal, daß drei Kämpfer ihn leicht verteidigen konnten. Sie waren zu sechst. In der Mitte der vo r dersten Reihe stand Macha, rechts von ihr der weißhaarige Ambiorix und zu ihrer Linken Volker. Die letzten drei Krieger, die noch eine Waffe führen konnten, bildeten hinter ihnen eine zweite Reihe.
    Volker blickte zu dem jungen Mann, der auf dem Wall obe r halb des Tores stand. Zu seinen Füßen lag ein rundes Tongefäß mit einer halb zerrissenen Manschette aus geflochtenem Stroh. Das Geschoß war auf eines der Schilfdächer geprallt und nicht zerbrochen. Heute sollten die Normannen lernen, was es hieß, wenn flüssiges Feuer vom Himmel fiel! Der junge Mann hielt eine Fackel bereit, um das Geschoß in Brand zu setzen, sobald die Angreifer unter ihm durch das Tor brachen.
    Die schweren Eichenpforten erbebten unter den Stößen eines Rammbocks, den die Belagerer aus einem halb verkohlten Gi e belbalken gefertigt hatten. Schon begann das Holz zu splittern. Volker leckte sich
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