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Nexus

Nexus

Titel: Nexus
Autoren: Henry Miller
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Gesieht war in Lächelfältchen gelegt, wenn sie ihre Kunden begrüßte oder ihre Bestellungen entgegennahm. Dann und wann setzte sich Stasia an den Tisch, immer mit dem Rücken zum Fenster, die Ellbogen auf dem Tisch, den Kopf in den Händen. Gewöhnlich blieb sie dort sitzen, bis der letzte Gast gegangen war. Dann nahm Mona neben ihr Platz. Nach dem Ausdruck ihrer Gesichter zu urteilen, führten sie immer eine angeregte Unterhaltung. Manchmal lachten sie so herzlich, daß sie sich krümmten. Wenn sie in einer solchen Stimmung waren und einer ihrer Lieblingsgäste sich zu ihnen setzen wollte, wurde er oder sie hinweggescheucht wie eine Schmeißfliege.
    Worüber konnten diese zwei lieben Geschöpfe nur miteinander reden, und was nahm sie so ganz in Anspruch? Und warum mußten sie dabei so anstrengend lachen? Man beantworte mir diese Frage, und ich will die Geschichte Rußlands auf einen Sitz niederschreiben.
    Sobald ich vermutete, sie könnten jetzt aufbrechen, machte ich mich auf die Socken. Gemächlich und nachdenklich schlenderte ich hierhin und dorthin, steckte den Kopf in eine Kneipe nach der anderen, bis ich zum Sheridan Square kam. An einer Ecke des Platzes, immer beleuchtet wie eine altmodische Wirtschaft, lag Minnie Douchebags Künstlerkneipe. Hier würden die beiden, wie ich wußte, schließlich landen. Ich wartete nur, um sicherzugehen, daß sie Platz gefunden hatten. Dann ein Blick auf die Uhr. In zwei oder drei Stunden würde wenigstens eine von ihnen in unsere Höhle zurückkehren. Ein letzter Blick sagte mir, daß sie bereits von allen Seiten beachtet und hofiert wurden. Das war tröstlich. Tröstlich - welch ein Wort! - zu wissen, daß sie unter dem Schutz der lieben Geschöpfe standen, die so großes Verständnis für sie hatten und ihnen immer Hilfe leisteten. Als ich zur U-Bahn ging, dachte ich schmunzelnd daran, wie, wenn man die Bekleidung der Gäste etwas anders anordnete, selbst ein Experte des Bertillon-Systems schwer unterscheiden könnte, wer von ihnen Mann oder Weib war. Die jungen Männer waren immer bereit, für die Mädchen zu sterben - und umgekehrt. Waren sie nicht alle in demselben ranzigen Pißpott, dem Bestimmungsort aller reinen und anständigen Seelen? Ah, aus was für lieben Kerlchen doch die ganze Bande bestand! Alles entzückende Lieblinge , wirklich! Und was für einen Schlamm sie mit ihren Gedanken heraufholen konnten! Du lieber Himmel! Jeder und jede von ihnen, besonders aber die Männer, war ein geborener Künstler oder eine Künstlerin, selbst jene kleinen scheuen Wesen, die sich in eine Ecke verkrochen, um an den Nägeln zu kauen.
    Kam es durch den Aufenthalt in dieser Atmosphäre, in der Liebe und gegenseitiges Verständnis herrschten, daß Stasia zu der Auffassung gelangte, zwischen Mona und mir stände nicht alles zum Besten? Oder war das eine Folge der wuchtigen Hammerschläge, mit denen ich, wenn mich die Lust nach Wahrheit und Aufrichtigkeit ergriff, die Luft erschütterte?
    «Du sollst Mona nicht beschuldigen, daß sie dich betrügt und dich anlügt», sagte Stasia eines Abends zu mir. Wie es kam, daß wir allein waren, begreife ich nicht. Möglicherweise erwartete sie, Mona jeden Augenblick eintreten zu sehen.
    «Womit soll ich sie deiner Meinung nach sonst beschuldigen?» erwiderte ich, gespannt, was sie sagen würde.
    «Mona ist keine Lügnerin, das weißt du. Sie erfindet, sie verdreht, sie schmiedet sich etwas zurecht. .. weil das interessanter ist. Sie glaubt, du magst sie lieber, wenn sie die Dinge kompliziert. Sie hat viel zuviel Respekt vor dir, um dich wirklich anzulügen.»
    Ich hatte es mit meiner Antwort nicht eilig.
    «Weißt du das nicht?» fragte sie mit erhobener Stimme.
    «Offen gesagt, nein!»
    «Willst du damit sagen, daß du alle diese phantastischen Geschichten schluckst, die sie dir auftischt?»
    «Wenn du meinst, ich betrachte das alles als ein harmloses, unschuldiges Spiel, nein.»
    «Aber warum sollte sie dich täuschen wollen, wo sie dich doch so zärtlich liebt? Du weißt, du bedeutest alles für sie. Ja, alles.»
    «Bist du darum eifersüchtig auf mich?»
    «Eifersüchtig? Ich bin empört, daß du sie so behandelst, daß du so blind, so grausam bist, so . . .»
    Ich hob die Hand. «Worauf willst du hinaus?» fragte ich. «Um was handelt es sich?»
    «Handelt es sich?» Sie richtete sich auf wie eine entrüstete und tieferstaunte Zarin. Sie hatte ganz vergessen, daß ihre Hose nicht zugeknöpft war und ihr Hemdzipfel heraushing.
    «Setz
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