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Nexus

Nexus

Titel: Nexus
Autoren: Henry Miller
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Dostojewski zeigt nach Mona niemals das geringste Interesse für «Tatsachen». (Eine von den Halbwahrheiten, die mich manchmal zusammenfahren lassen.) Dostojewski war, wenn man ihr glauben will, immer in den Wolken - oder wühlte in den tiefsten Tiefen. Er legte keinen Wert darauf, an der Oberfläche zu schwimmen. Er dachte nicht an Handschuhe, Muffs oder Mäntel. Auch steckte er seine Nase nicht in Handtaschen von Frauen, um nach Namen und Adressen zu suchen. Er lebte nur in der Phantasie.
    Stasia hatte indessen ihre eigene Meinung über Dostojewski, seine Lebensweise und seine Arbeitsmethode. Trotz ihrer unberechenbaren Launen kam sie schließlich der Wirklichkeit etwas näher. Sie wußte, daß Puppen aus Holz oder Pappmache gemacht werden und nicht nur aus «Phantasie». Sie war sich auch nicht ganz sicher, ob nicht auch Dostojewski seine «bürgerliche» Seite gehabt haben könnte. Besonders aber schätzte sie an ihm das dämonische Element. Für sie war der Teufel ein wirklich vorhandenes Wesen. Das Böse war wirklich. Mona andererseits schien von dem Bösen in Dostojewski nicht berührt zu werden. Für sie war das nur eine neue Seite seiner «Phantasie». In Büchern versetzte sie nichts in Schrecken - im Leben allerdings auch nicht. Darum ging sie auch wohl unbeschadet durchs Feuer. Aber wenn Stasia eine ihrer sonderbaren Stimmungen hatte, konnte selbst die Teilnahme an einem Frühstück für sie eine Feuerprobe sein. Sie hatte eine Nase für das Böse, sie konnte sein Vorhandensein selbst in kaltem Haferflockenbrei ausfindig machen. Für Stasia war der Teufel allgegenwärtig, lauerte immer einem Opfer auf. Sie trug Amulette, um die bösen Mächte abzuwehren; sie machte gewisse Zeichen, wenn sie ein fremdes Haus betrat, oder sagte Zaubersprüche in fremden Sprachen vor sich hin. Über dies alles lächelte Mona nachsichtig, fand es «köstlich», daß Stasia so primitiv, so abergläubisch war. «Das ist ihr slawisches Blut», pflegte sie zu sagen.
    Jetzt, da die Behörden Stasia in Monas Obhut gegeben hatten, kam es uns zu, die Lage mit größerer Klarheit zu überschauen und für diese komplizierte Natur eine ruhigere, friedvollere Lebensweise zu finden. Nach Monas tränenreichem Bericht hatte man Stasia nur mit dem größten Widerstreben aus der Beobachtung entlassen. Der Teufel allein kann wissen, was sie dort über ihre Freundin — und über sich selbst - erzählt hatte. Erst nach Wochen und nur durch geschickte Manöver gelang es mir, das Puzzlespiel zu entwirren, das sie aus ihrer Unterhaltung mit dem Chefarzt gemacht hatten. Hätte ich mich an nichts anderes halten können, würde ich den Eindruck gewonnen haben, daß sie beide ins Irrenhaus gehörten. Glücklicherweise hatte ich eine andere Lesart der Unterhaltung bekommen, und zwar unerwarteterweise von Kronski. Aus welchem Grunde er sich für den Fall interessierte, weiß ich nicht. Mona hatte den Behörden zweifellos seinen Namen genannt - er sei der Hausarzt. Möglicherweise hatte sie ihn mitten in der Nacht aufgesucht und ihn schluchzend gebeten, etwas für ihre geliebte Freundin zu tun. Sie unterschlug mir jedenfalls, daß Kronski Stasias Freilassung erreicht hatte, daß Stasia keiner Person zur Pflege übergeben war, und daß ein Wort von Kronski an die Behörden die schlimmsten Folgen haben konnte. Dies letztere war Aufschneiderei, und ich nahm es auch als solche. Wahrscheinlich war das Irrenhaus zum Bersten überfüllt. Im Hintergrund meiner Gedanken regte sich der Entschluß, eines schönen Tages selbst der Anstalt einen Besuch abzustatten und herauszufinden, was geschehen war. (Um es genau zu wissen.) Ich hatte es damit nicht eilig. Ich fühlte, daß die jetzige Lage nur ein Vorspiel oder ein Vorzeichen künftiger Ereignisse war.
    Inzwischen gewöhnte ich mir an, schnell nach Greenwich Village oder, wie es bei uns hieß, ins «Dorf» hinüberzugehen, wenn ich gerade Lust dazu hatte. Wie ein streunender Hund irrte ich in dem ganzen Bezirk umher. Wenn ich zu einem Laternenpfahl kam, hob ich mein Hinterbein und bepißte ihn. Wuff wuff! Wuff!
    So ertappte ich mich oft, wie ich vor dem «Iron Cauldron» stand, an dem Gitter, das den räudigen Rasen, jetzt knietief mit schwarzem Schnee bedeckt, abgrenzte, um das Kommen und Gehen zu beobachten. Die zwei Tische nahe am Fenster gehörten Mona. Ich beobachtete sie, wie sie in dem weichen Kerzenlicht hin und her ging und ihre Gäste bediente, immer hing ihr dabei eine Zigarette an der Lippe. Das
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