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Nexus

Nexus

Titel: Nexus
Autoren: Henry Miller
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nicht in Ordnung ist - wenn das überhaupt in Frage kommt -, aber ich kann es nicht feststellen. Wenn übrigens eine Frau eine andere ebenso lieben kann wie einen Mann, an den sie gebunden ist, so ist daran nichts Unrechtes, nicht wahr? Man kann sie nicht tadeln, wenn sie tatsächlich mit einem ungewöhnlichen Vorrat von Liebesfähigkeit ausgestattet ist. Angenommen jedoch, man hat als Gatte eines so außergewöhnlichen Geschöpfes seine Zweifel an der überdurchschnittlichen Liebesfähigkeit seiner Frau, was dann? Wie, wenn der Mann Grund zu der Annahme hat, diese außerordentliche Liebesbegabung sei eine Mischung von Schwindel und wirklicher Zuneigung? Daß sie, um ihren Mann sozusagen in die richtige Verfassung zu bringen, listig und tückisch darauf hinarbeitet, seinen Geist zu vergiften, dazu höchst phantastische Erzählungen, alle natürlich ganz unschuldig, über ihre Erlebnisse mit Freundinnen vor der Hochzeit erfindet und zusammenbraut, ohne offen zuzugeben, daß sie bei ihnen geschlafen hat, obschon sie immer andeutet, daß es so gewesen sein könnte. Und im Augenblick, da der Mann - ich mit anderen Worten -Angst oder Beunruhigung zeigt, leugnet sie alles Derartige heftig ab, behauptet, nur seine schmutzige Phantasie könnte ihm solche Bilder vorgaukeln . . . Folgst du mir, oder ist das zu kompliziert?»
    Sie setzte sich. Ihr Gesicht wurde mit einemmal ernst. Sie saß auf der Bettkante und sah mich forschend an. Plötzlich verzog sich ihr Gesicht zu einem Lächeln, zu einem satanischen Lächeln, und sie rief: «Darauf hast du es also abgesehen! Jetzt willst du meinen Geist vergiften!» Dann stürzten ihr die Tränen aus den Augen, und sie begann zu schluchzen.
    Zum guten Glück kam jetzt gerade Mona herein.
    «Was hast du ihr getan?» Das waren ihre ersten Worte. Sie legte einen Arm um die arme Stasia, streichelte ihr Haar, tröstete sie mit besänftigenden Worten.
    Eine rührende Szene. Sie war jedoch ein bißchen zu echt, als daß ich geziemend gerührt wurde.
    Das Ergebnis - Stasia konnte so unmöglich nach Hause gehen, sie mußte bleiben und sich gründlich ausruhen.
    Stasia sieht mich fragend an.
    «Selbstverständlich, selbstverständlich!» sage ich. «Bei einem solchen Wetter jagt man keinen Hund vor die Tür.»
    Der unheimlichste Teil der Szene war jedoch, wenn ich es jetzt so bedenke, daß Stasia plötzlich in einem weichfließenden durchsichtigen Nachthemd erschien. Es wäre alles vollkommen gewesen, wenn sie nur eine Pfeife im Mund gehabt hätte.
    Um zu Fjodor zurückzukehren... Mit dem Unsinn, den sie dauernd über Dostojewski verzapften, machten sie mich jedesmal nervös. Ich habe nie behauptet, Dostojewski zu verstehen . Jedenfalls nicht ganz. (Ich kenne ihn, wie man eine verwandte Seele kennt.) Bis heute habe ich ihn noch nicht ganz gelesen. Es war immer meine Absicht, mir die letzten paar Brocken zur Lektüre auf dem Sterbebett aufzusparen. Ich bin mir zum Beispiel nicht sicher, ob ich seinen Traum eines lächerlichen Mannes gelesen oder nur von ihm gehört habe. Ich bin mir darüber genausowenig klar, wie ich bestimmt sagen kann, wer Marcion war oder was Marcions Lehre ist. Bei Dostojewski gibt es wie im Leben viele Dinge, die ich gern als Geheimnisse unberührt lasse. Ich stelle mir Dostojewski gern mit einer undurchdringlichen Aura des Geheimnisses vor. Ich kann ihn mir zum Beispiel nicht mit einem Hut ausmalen - mit einem Hut, wie ihn Swedenborg seinen Engeln als Kopfbedeckung gab. Ich bin überdies immer äußerst neugierig darauf, was andere über ihn zu sagen haben, selbst wenn ihre Ansichten für mich keinen Sinn ergeben. Erst neulich bin ich auf eine Bemerkung gestoßen, die ich einmal in mein Notizbuch geschrieben habe. Wahrscheinlich rührt sie von Berdjajew her.
    Hier ist sie: «Nach Dostojewski war der Mensch nicht mehr, was er vorher gewesen war.» Ermutigender Gedanke für eine leidende Menschheit.
    Das Folgende kann auch nur Berdjajew geschrieben haben: «Dostojewski hat dem Bösen gegenüber nicht immer dieselbe Haltung eingenommen. Zu einem großen Teil mag es so aussehen, als sei er irregegangen. Einerseits ist bei ihm das Böse das Böse, das angeprangert und ausgebrannt gehört. Andererseits ist das Böse eine geistige Erfahrung des Menschen. Es gehört zu ihm. Im Verlauf seines Lebensweges kann der Mensch durch das Böse bereichert werden, aber dies muß man auf die richtige Weise verstehen. Es ist nicht das Böse selbst, das ihn bereichert, er wird durch die in ihm
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