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Nexus

Nexus

Titel: Nexus
Autoren: Henry Miller
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hergekommen, um Ihnen einen Anzug zu verkaufen.»
    «Merkwürdig», sagte er, «Sie sind so ungefähr der einzige Mensch, mit dem ich eine richtige Unterhaltung zustande bringe. Jedesmal, wenn ich Sie sehe, geht mir das Herz auf.. . Was können Sie mir diesmal empfehlen? Ich meine, in literarischer Hinsicht. Das letzte Mal war es Oblomow , nicht wahr? Das Buch hat aber keinen großen Eindruck auf mich gemacht.»
    Er legte eine Pause ein, nicht etwa um zu hören, was ich darauf zu erwidern hätte, sondern um Schwungkraft zu gewinnen.
    «Seit Ihrem letzten Besuch habe ich eine Liebesaffäre gehabt. Setzt Sie das in Erstaunen? Ja, ein junges Mädchen, sehr jung und dazu noch eine Nymphomanin. Saugt mir den letzten Tropfen aus. Aber das macht mir keine Sorgen - die macht mir vielmehr meine Frau. Es ist geradezu qualvoll, wie sie mir zusetzt. Ich möchte aus der Haut fahren.»
    Als er das Grinsen auf meinem Gesicht sah, setzte er hinzu: «Lächerlich ist das durchaus nicht, das kann ich Ihnen sagen.»
    Das Telefon läutete. Er hört aufmerksam zu, sagt aber nichts als ja, nein, glaube wohl, doch plötzlich brüllt er in das Mundstück hinein: «Ich will Ihr schmutziges Geld nicht. Er soll sich einen anderen Verteidiger suchen.
    Stellen Sie sich vor, der wollte mich bestechen», wettert er, indem er den Hörer auf die Gabel schmettert. «Und dabei ist er Richter. Ein großes Tier dazu.» Er putzte sich geräuschvoll die Nase. «Nun, wo waren wir stehengeblieben?» Er erhob sich. «Wie wär's, wenn wir einen Happen äßen? Bei Essen und Wein läßt sich's besser reden, meinen Sie nicht?»
    Er rief ein Taxi, und wir fuhren zu einem italienischen Restaurant, in dem er oft saß. Es war ein gemütliches Lokal, das stark nach Wein, Sägemehl und Käse roch. Wir waren fast die einzigen Gäste.
     
    Als wir bestellt hatten, sagte er: «Sie haben doch nichts dagegen einzuwenden, wenn ich von mir spreche. Ich denke, das ist meine Schwäche. Selbst wenn ich lese, mag das Buch auch gut sein, muß ich an mich und meine Probleme denken. Nicht, daß ich mich für so wichtig halte, verstehen Sie. Ich bin einfach besessen von mir.
    Sie sind ebenfalls besessen», fuhr er fort, «aber auf gesündere Weise. Ich bin ganz von mir in Anspruch genommen und hasse mich deshalb. Es ist ein richtiger Ekel, den ich vor mir habe. Kein anderer Mensch würde mir ein solches Gefühl einflößen. Ich kenne mich durch und durch, und wenn ich daran denke, was ich bin, und wie ich anderen erscheinen muß, bin ich entsetzt. Ich habe nur eine gute Eigenschaft: ich bin ehrlich. Ich tue mir nichts darauf zugute ... es ist ein rein instinktiver Zug. Ja, ich bin mit meinen Klienten ehrlich und ehrlich mit mir selbst.»
    Ich unterbrach ihn. «Sie mögen mit sich selbst ehrlich sein, wie Sie sagen, aber es wäre besser für Sie, wenn Sie großzügiger wären. Ich meine, gegen Sie selbst . Wenn Sie sich selbst nicht anständig behandeln können, wie können Sie das dann von anderen erwarten?»
    «Es liegt nicht in meiner Natur, solche Gedanken zu hegen», antwortete er schnell. «Ich bin Puritaner von meinen Vorfahren her, allerdings ein degenerierter. Das Schlimme ist nur, ich bin nicht degeneriert genug. Sie haben mich einmal gefragt, wenn Sie sich noch erinnern, ob ich je den Marquis de Sade gelesen hätte. Nun, ich habe es versucht, aber er langweilt mich zu Tode. Vielleicht ist er für meinen Geschmack zu französisch. Ich verstehe nicht, warum man ihn den göttlichen Marquis nennt.»
    Mittlerweile hatten wir den Chianti gekostet und steckten bis über die Ohren in Spaghetti. Der Wein machte ihn noch redseliger. Er konnte eine Menge trinken, ohne benebelt zu werden. Tatsächlich war dies auch ein Problem, mit dem er nicht fertig werden konnte — selbst unter Alkoholeinfluß konnte er sich nicht verlieren.
    Als wenn er meine Gedanken erraten hätte, machte er die Bemerkung, er sei durch und durch Kopfmensch. «Ein Kopfmensch, der selbst seinen Schwengel zum Denken bringen kann. Da lachen Sie wieder, aber es ist tragisch. Das junge Mädchen, von dem ich sprach, hält mich für einen großen Bock. Das bin ich aber nicht. Während sie richtig wütig ist, ficke ich mit dem Gehirn. Es ist, als führte ich ein Kreuzverhör, nur daß ich dabei meinen Schwengel anstatt meinen Geist zu Hilfe nehme. Klingt ulkig, wie? Ist es auch, denn je mehr ich loslege, desto mehr konzentriere ich mich auf mich selbst. Nur dann und wann — bei ihr heißt das - merke ich, daß noch ein
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