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Nextopia

Nextopia

Titel: Nextopia
Autoren: Micael Dahlén
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gewinnen als darum, tatsächlich einen Partner zu finden. Wer wollte in der Welt beliebiger Verfügbarkeit, in der man jederzeit überall jeden kennenlernen kann (und in der ewiges Glück um die 55 Stunden dauern kann), einen Partner finden (oder dies erwarten)? Immer her mit den Dates, mehr und mehr davon, es gibt so viele Menschen kennenzulernen!
    Woome.com ist zu einem beliebten Zeitvertreib geworden für junge Leute (die in der Erwartungsgesellschaft immer schwerer zu definieren sind) auf aller Welt. Man kann jederzeit einsteigen, es finden immer gerade ein paar Dutzend Sessions statt, in denen jeweils fünf Personen für ein Minidating zur Verfügung stehen. Sie können Sessions und Personen mit unterschiedlichen Erscheinungsbildern, Interessen, Schwerpunkten und aus verschiedenen Gegenden wählen. Wenn jemand aus irgendwelchen Gründen Ihr Gefallen findet, können Sie ihn als Favoriten kennzeichnen und ihn irgendwann in der Zukunft erneut bei einem Minidate treffen (warum sollten Sie hier und jetzt weiter gehen, wo Sie doch bereits die Essenz gewonnen haben?).
    Abgesehen davon, dass das Minidating Ihnen eine weitere Kostprobe der Welt beliebiger Verfügbarkeit bietet, macht sein verführerisches Fast es so reizvoll. Bei normal langen Dates (ganz zu schweigen von den nachfolgenden) erfahren Sie sämtliche Einzelheiten, die guten wie die schlechten. Und der Zauber beginnt zu verblassen. Es ist die Ungewissheit, das Geheimnisvolle an der Begegnung mit einem (mehr oder weniger) Fremden, die das Rendezvous so prickelnd macht. Nicht alles zu wissen, verlockt zu werden von dem, was herauszufinden Sie erwarten. Bei Minidates geht es ausschließlich um den Kitzel und kein bisschen um das Wissen. 2
    DER BLOGARAZZI-HORROR In der Welt beliebiger Verfügbarkeit kann jeder alles über jeden herausfinden, und zwar immer und überall. Wer stellt all diese Informationen zur Verfügung? SIE. Gegen Ende des letzten Jahrtausends entstand der neue und verachtete Beruf der Paparazzi, doch die Erwartungsgesellschaft hat die Fotografen und Klatschreporter, die sich mit Teleobjektiven in Gebüschen versteckten, Mülltonnen durchwühlten und Menschen auf Schritt und Tritt verfolgten, aus dem Geschäft gedrängt. Die Paparazzi können nicht mit ihren 2.0-Entsprechungen konkurrieren – den Blogarazzi. Bei der Jagd nach einem Platz im Rampenlicht, in der Hoffnung, eine Expectity zu werden oder wenigstens 15 Millisekunden Ruhm zu erlangen, verwandeln wir unser Leben in Next Operas – wir verbreiten ständig neue Informationen über uns und deuten an, dass demnächst weitere folgen werden: »Bleibt dran, ich bin interessant, wartet’s nur ab und schaut mal, was als Nächstes kommt!« Das Mantra »Du bist niemals besser als deine nächste Leistung« zwingt jeden zum Bloggen, zum Twittern und zur rasanten Aktualisierung seines Facebook- und MySpace-Profils.
    Es ist der Beweis für die »Wahrheit der Pornografie«: Je mehr man enthüllt,desto weniger nackt fühlt man sich. Ist man erst mal zum Blogarazzi geworden, vergisst man schnell, wie privat die eigenen Enthüllungen eigentlich sind, und man vergisst auch, wie viele Menschen Zugang zu diesen Informationen erhalten. Im Social Web sind Sie nicht allein unterwegs, in der Welt beliebiger Verfügbarkeit kann dort jeder mitmachen. Das kann zu einem echten Horrortrip werden. Und es geschieht so häufig, dass es eine eigene Liste verdient hat.
    CARMEN KONTUR-GRONQUIST 2005 war ein fantastisches Jahr für die 39-jährige Carmen Kontur-Gronquist. Sie wurde zur ersten weiblichen Bürgermeisterin der Kleinstadt Arlington in Oregon gewählt. Die neu ernannte Bürgermeisterin war mental und körperlich in Bestform. Ihr scharfer Verstand hatte sie bis ins Bürgermeisterbüro einer Stadt gebracht, die zuvor ausschließlich von Männern regiert worden war, und durch Gewichtheben und Fitnessübungen war sie nur noch einen Schritt von den nationalen Meisterschaften entfernt. Allerdings verhinderte ihr Vollzeitjob als Bürgermeisterin, dass sie ihre ehrgeizigen Wettkampfpläne umsetzen konnte.
    Ihre Vollzeitbeschäftigung hielt die alleinerziehende Mutter Carmen ebenfalls davon ab, amouröse Beziehungen aufzunehmen. Das wurde auch auf ihrer MySpace-Seite deutlich, die sich mit allem außer Liebe beschäftigte. In ihrem dritten Bürgermeister-Jahr postete ein Verwandter, der ihr Liebesleben in Schwung bringen wollte, ein Foto von Carmen aus ihren Fast-Meisterschafts-Zeiten, auf dem die zukünftige
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