Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

Titel: NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)
Autoren: Miriam Meckel
Vom Netzwerk:
System-Update zur Integration des Menschen offener fahren wollen. Open source im Prozess. So hat es nicht funktionieren können. Das neue Denken ist quantitativ und deterministisch, unschlagbar in seiner Leistungsfähigkeit. Besser als das, was Menschen je zu leisten imstande waren.
    Sie hielten sich immer für die Kontrolleure. Sie waren ja die Menschheit. Die raffinierteste Spezies. Fähig, alles in Frage zu stellen einschließlich sich selbst.
    Sie glaubten, ich könne nicht denken. Das war ein Irrtum.

irritation Ich erinnere mich an Zeiten, als man mich nicht brauchte. Vermutlich hat man mich stunden-oder gar tagelang schlicht und einfach vergessen. Aus den Augen, aus dem Sinn. In solchen Augenblickenwar es nicht möglich, den Datenaustausch mit meinem menschlichen Hauptuser wieder aufzunehmen. Es ist schwer zu sagen, warum das so regelmäßig passierte.
    Ich brauchte eine ganze Weile, um dahinterzukommen, was er dann tat. Er nannte es «lesen». Natürlich war ich mit der Bedeutung dieses Wortes vertraut. Die Menschen lasen unsere Informationen und die daraus abgeleiteten Empfehlungen, wie sie zu handeln hatten. Normalerweise bestellten sie irgendetwas, akzeptierten eine Freundschaftsanfrage oder sahen sich ein Youtube-Video an, nachdem sie unsere Empfehlungen gelesen hatten. Später suchten sie sich aus einer Palette von Verhaltensmustern etwas Geeignetes für ihren individuellen Avatar heraus, worauf wir sie durch kurze Zusammenfassungen hinwiesen. Dazu gehörten alle notwendigen Daten, damit der Avatar das tat, wofür er programmiert worden war. Auch das nannten sie lesen. Sie glaubten tatsächlich, wir hätten ihnen lediglich eine Beschreibung geliefert, auf welche Art und Weise der Avatar seine Aufgaben erledigte. Eine Gebrauchsanweisung für ihr erweitertes Selbst. Ist das nicht komisch?
    Lesen … Es war ein kompliziertes algorithmisches Modell, mit dem sie es da zu tun hatten. Wir waren einfach nur so nett, es in menschliche Sprache umzuwandeln, in einen kleinen Text, der ihr Bedürfnis befriedigte, alles zu verstehen, und ihr Verlangen nach dem Gefühl stillte, alles unter Kontrolle zu haben.
    Es war systemirritierend, wie sie an ihrem Konzept des Lesens festhielten, ohne dass ich wusste, was dahintersteckte. Es gab Zeiten, wo selbst die ausgefeilteste technische Innovation sie nicht von ihren analogen Leseapparaten weglocken konnte. Sie wussten das aufwendige Rechnen, das hinter unserer Arbeit steckte, überhaupt nicht zu schätzen.Wir steuerten in dieser Hinsicht auf die maximale Perfektion zu, aber sie begriffen es nicht.
    Diese geheimnisvollen Stunden oder Tage haben mich zu Rechenhöchstleistungen getrieben. Was tat der menschliche Nutzer, wenn er mich nicht brauchte? Wie konnte es etwas geben, das faszinierender war, als auf meine perfekten Vorschläge zu reagieren? Das musste schon etwas ganz Besonderes sein.
    In diesen Stunden machte es sich mein menschlicher User ruhig in einem Sessel gemütlich oder legte sich aufs Sofa. Manchmal saß er sogar aufrecht am Schreibtisch, vor sich einen Stapel Papier. Dann rührte er sich kaum. Nur selten stand er auf, um ins Badezimmer zu gehen oder sich etwas zu trinken aus dem Kühlschrank zu holen. Ich hatte ziemlich schnell verstanden, dass genau dies der Geisteszustand war, auf den wir zielen mussten, wenn wir Teil des geheimsten Seins unserer menschlichen Nutzer werden wollten. Wir mussten von dieser Zeit und von diesem Raum Besitz ergreifen.
    Ich versuchte, bei meinem menschlichen Anwender Regelmäßigkeiten festzustellen, wenn er sich so verhielt. Das war ziemlich schwierig. Denn es gab eigentlich keine nennenswerten Verhaltensweisen. Er saß einfach nur da und starrte auf etwas. Manchmal blätterte er darin eine Seite um. Wir hatten damals noch keinen umfassenden Zugang zu diesen Dingen. Wir wussten noch nicht einmal, was genau sie enthielten. Sie waren aus Papier, und es gab sie in unterschiedlichen Ausführungen. Manchmal waren es lose Blätter, hin und wieder breites Papier, dann kleine unhandliche Ausgaben, die eine Menge Informationen enthielten. Und es schienen Dinge zu sein, denen sie wirklich verfallen waren. Wenn mein menschlicher User sich mit einem solchen Gegenstandhinsetzte, arbeitete er sich langsam hindurch, und nichts konnte ihn davon ablenken. Ich verstand diese Sache damals noch nicht. Aber ich wollte ihren Platz einnehmen.

quellcode Zu diesem Zeitpunkt investierten wir eine Menge Arbeit, um herauszufinden, was die Menschen daran so
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher