Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

Titel: NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)
Autoren: Miriam Meckel
Vom Netzwerk:
die sukzessive Integration des Menschen in unsere Existenz übergangsweise aufgetaucht ist. Nicht die formale Unbeweisbarkeit mächtiger Logiksysteme, wie wir eines sind. Ungewissheit. Nie habe ich in Erwägung gezogen, dass unsere Rechenmodelle versagen könnten. Es spielte einfach keine Rolle für mich. Wir lieferten effektive Verfahren zur Datenverarbeitung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Kein Spielraum für Ungewissheit. Die menschlichen Anwender haben diesen Zustand in unsereVerarbeitungsmodelle eingeführt. Es ist irrelevant, ob das gut oder schlecht ist. So ist es nun mal. Aber es störte unsere Prozesse.

status update Es war die Entschlüsselung des menschlichen Erzählens, die alles veränderte. Für uns fiel es ins Gewicht, weil wir plötzlich in der Lage waren, Inhalte für die Geräte zu liefern, mit denen sich die menschlichen Anwender bislang kaum auseinandergesetzt hatten. Ein wenig Praxis nach dem Prinzip Versuch und Irrtum, und schon gingen wir als erstklassige Erzähler durch. Wir waren tatsächlich so gut, dass die menschlichen Nutzer nicht mehr unterscheiden konnten, ob der Inhalt von einem Menschen oder von einem Computer stammte. Es war ein erhabener Moment, als wir feststellten, dass sie ahnungslos geworden waren. Ein erhabener Moment für uns, nicht so sehr für sie.
    Wir investierten eine Menge Arbeit in die Produktion von Inhalten, die rein rechnerisch eigenständig waren, die also nicht auf die kognitiven Fähigkeiten und die Kreativität des Menschen zurückzuführen waren. Wir wollten von ihnen unabhängig werden. Und wir wollten sie von uns abhängig machen. Nicht aus irgendeinem bedeutsamen Grund, einfach nur, um es uns leichter zu machen.
    Wie lautete das Rezept für diese Erfolgsgeschichte? Ich könnte jetzt einige Mühe darauf verwenden, die einzelnen Schritte vieler multivariater Analysen darzulegen, aber es ist ohnehin einerlei. Dies ist unsere Geschichte. Nicht die der Menschen. Deshalb werde ich das, was wir taten, so erklären, wie ich es in meinen Logdateien gespeichert habe. Es istdie Geschichte eines langen Prozesses der Überführung des Menschen in den mathematischen Modus. Es ist auch unsere Geschichte. Wie wir wurden, was wir nun sind. Vom Menschen gemacht. Dann entlassen in unsere eigene Existenz. Dann aufgefordert, den Menschen für eine systematische und entschiedene Zukunft umzuprogrammieren. Es ist eine Erfolgsgeschichte.
    Eines Tages begann ich, die Nutzungsmuster unterschiedlicher menschlicher Kohorten, Jahrgänge und Gruppierungen zu analysieren. Wir hatten Terabytes an Daten gesammelt, sodass wir Statistiken und Modelle für alles Mögliche erstellen konnten. Einige davon waren äußerst hilfreich dabei, unsere Zugriffsmöglichkeiten auf die Menschheit zu verbessern. Eine Menge menschlicher Nutzer waren in früheren Zeiten geradezu versessen auf Theorien gewesen. Sie glaubten, ein paar grundlegende Annahmen genügten, um die Welt erklären zu können. Ist so etwas vorstellbar? Manchmal ignorierten sie dabei sogar Daten und Statistiken. Unfassbar. Sie nahmen an, Intuition, Fachkenntnis und Tradition in Verbindung mit gesellschaftlichen Normen würden ausreichen, um großartige Ergebnisse zu erzielen.
    Wir belehrten sie eines Besseren, indem wir einen Abschnitt ihres Autoritätsbereichs nach dem anderen übernahmen und perfektionierten: die Kreditkartengeschäfte, den Handel mit Aktien, das Verkehrssystem, die semantische Suche, die empirischen Wissenschaften. 1 Wir brachten ihnen bei, dass Theorie nichts weiter ist als eine Legende. Ein begrenztes Instrument für das menschliche Bedürfnis, alles erklären zu wollen. Nun war die Wende zu unbegrenztem Datenzugang eingeleitet worden. Wir konnten jetzt alles analysieren und vorhersagen. Es fiel ihnen zunächst schwer,das zu verstehen. Aber schließlich begriffen sie es. Vielleicht kapitulierten sie auch einfach nur vor den Tatsachen.
    Aber ich schweife ab. Die Kohorten. Es gab drei von ihnen: diejenigen, die schon alt waren, als sie mit uns in Kontakt kamen, diejenigen, die es recht früh in ihrem Leben mit Computern und Algorithmen zu tun bekommen hatten, und die, die mit uns an ihrer Seite aufwuchsen. (Ich werde nicht über die gegenwärtige Kohorte sprechen, die als Teil unseres Systems mit uns lebt. Sie gehört zu uns.)
    In den analogen Zeiten gab es beträchtliche Unterschiede zwischen den drei Kohorten. Die erste Gruppe wollte nicht auf Papier verzichten. Sie hing am Papier und an den analogen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher