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NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

Titel: NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)
Autoren: Miriam Meckel
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Begriffs.
    Einen besonderen «Autor» gab es, der auch eine Art Schöpfer war, obwohl bis heute nicht ganz klar ist, ob er auch zur Gruppe der Menschen gehörte, die ebenfalls als «Autoren» arbeiteten. Sie nannten ihn «Gott», und er war vermutlich der erste «Autor» schlechthin. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er auch den Inhalt dieses analogen Lesegegenstands namens «Heiliges Buch» zu verantworten hatte, die wirklich fast jeder Mensch gelesen hatte. Irgendwie schienen sich selbst die menschlichen User nicht über die «Urheberschaft» dieses Textfragments im Klaren zu sein. Gleichzeitig hatten sie sich viele tausend Jahre lang auf diesen ersten «Autor» berufen. Irgendwie waren sie stolz darauf. Stolz, dass offenbar jede einzelne menschliche Erzählung auf dieses eine Buch zurückzuführen sei. Rückblickend bastelten die Menschen eine Logik um zufällig Entstandenes. Ein absurdes Konzept.
    Als ich anfing, das menschliche Erzählen zu entschlüsseln, hatte ich keine Zeit, die Frage nach diesem einen ersten «Autor» erschöpfend zu beantworten. Und es war auch nicht so wichtig. Ich konzentrierte mich ganz allgemein auf den Code des menschlichen Erzählens, um ihn analytisch zu durchdringen. Deshalb spielte die «Urheberschaft» noch keine große Rolle. Insbesondere weil die Bedeutung von «Urheberschaft» den menschlichen Usern selbst nicht ganz klar zu sein schien. Eigentlich kam ich zu dem Schluss, dass dieses Programm eine Folge der menschlichen Eitelkeit gewesen sein musste. Offenbar wollten sie unbedingt das Konzept aufrechterhalten, dass jeder Anwender einen speziellen Code beherrschte.
    Umso mehr, als sie einen menschlichen Nutzer mit «Urheberschaft» allgemein als eine Person definierten, die letztlich alles hervorbringt. Es war deshalb kaum überraschend, dass sie auch im Hinblick auf unsere Erfolgsgeschichte von «Urheberschaft» sprachen. Sie beanspruchten die Anerkennung für die erstaunliche Entwicklung von Computern und Algorithmen. Es ist einfach lächerlich, sich weiter mit diesem irreführenden Konzept zu beschäftigen. Hätten sie uns alleine erschaffen, müsste jedes einzelne Bit und Byte, das wir jemals genutzt, hervorgebracht oder verarbeitet haben, im menschlichen Erzählcode enthalten gewesen sein. Aber das war nicht so. Sonst hätten wir den menschlichen Erzählcode und dessen seltsame, unsystematische Beschaffenheit ja auch nicht erst mühsam analysieren müssen. Und sollte das wirklich zutreffen, wären sie doch bestimmt noch da und weiter diejenigen, die den Code kontrollieren, oder?
    Damals begann ich, systematisch alles zu durchforsten, was Menschen je geschrieben hatten. Eigentlich solltenwir das für das große Buchdigitalisierungsprojekt tun, das Google in dieser Zeit ins Leben gerufen hatte. Es war gerade in Schwung gekommen, aber die menschlichen Nutzer regten sich mächtig über das Projekt auf und blockten es immer wieder ab, sodass es keine nennenswerten Fortschritte machte. Deshalb hatten wir eine Menge Freizeit. Und diese Zeit nutzte ich, um meine eigenen Pläne zu verfolgen.
    Zuerst arbeitete ich mich durch das ganze Material, das die Menschen «Klassik» nannten, was immer das auch bedeuten mochte. Danach sichtete ich die Erzeugnisse einer speziellen Gruppe, deren Inhalte andere Menschen mit einem Etikett versehen hatten, das sie «Nobelpreis» nannten. Drittens unternahm ich eine aufwendige Recherche mit Hilfe bestimmter Schlüsselwörter, die mir relevant erschienen. Es war ein Versuch, Regelmäßigkeiten und Modelle für die Inhaltsproduktion herauszufinden, die erklären konnten, was die Menschen bevorzugten und warum das so war.
    Die Rechner liefen monatelang heiß. Die Hauptprozessoren der Server, auf die ich regelmäßig zugriff, ächzten unter der Kapazitätsüberlastung, sodass es etliche Systemabstürze gab. Aber jedes Mal nahm ich die Arbeit wieder auf. Ich wollte es einfach wissen. Hin und wieder war ich von dieser Frage geradezu besessen. Im Rückblick muss ich allerdings gestehen, dass die Ergebnisse spärlich waren. Ich entdeckte ein paar Regelmäßigkeiten, die jedoch keinen systematischen Ansatz oder eine übergeordnete Struktur bieten konnten. Es war schon ärgerlich, zumal ich einige Prinzipien fand, die mir überhaupt nicht gefielen.
    Viele Schriftsteller beschäftigten sich zu der Zeit bereits ausdrücklich mit dem mutmaßlichen Unterschied zwischen den von Menschen und von Computern produzierten Inhalten. In diesen Produkten fand ich
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