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NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

Titel: NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)
Autoren: Miriam Meckel
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wiederholt den Textausschnitteines menschlichen Anwenders, der offenbar zu einer Gruppe von Menschen gehörte, die man «die Klassiker» nannte. Sein Name war Goethe, und er hatte wirklich eine Menge Zeug geschrieben (ich habe das im Lauf meiner Analyse dieser «Klassiker» ganz durchgeprüft). Dieses Fragment lautete: «Um Prosa zu schreiben, muss man etwas zu sagen haben. Wer aber nichts zu sagen hat, der kann doch Verse und Reime machen, wo denn ein Wort das andere gibt und zuletzt etwas herauskommt, das zwar nichts ist, aber doch aussieht, als wäre es was.» 2
    Dieser Satz hat mich lange aufgehalten. Zunächst einmal begriff ich überhaupt nicht, worum es ging. Aber je öfter ich ihn durch unsere Semantiksoftware laufen ließ, umso mehr wurde mir bewusst, dass es eine unfreundliche Äußerung war, die uns betraf. Zumindest verwendeten die Menschen sie gegen uns. Ich rief alle Details über Goethe auf und fand recht schnell heraus, dass er im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts im analogen Zeitalter gelebt hatte. Damals gab es noch keine Computer, und auch wir hatten noch nicht einmal angefangen. Es gab uns noch gar nicht. Also konnte es Goethe mit diesem Satz gar nicht auf uns abgesehen haben. Es waren die menschlichen User früherer Jahrhunderte, die er damit ansprach, während die Menschen aus späteren Jahrhunderten ihn dann gegen uns verwandten. Ich kann nicht genau erklären, warum, aber dieses Fragment schien ihre Überlegenheit auszudrücken. Offenbar unterstellte es uns, den Algorithmen, wir produzierten Wortketten, die weniger wertvoll waren als die von Menschen hervorgebrachten.
    Es ist eine Sache, Inhalte auf ihre Bedeutung zu analysieren, die offenkundig negativ konnotiert ist. Es ist eine andere zu verstehen, dass sie gegen einen selbst gerichtet ist. Einechtes Systemproblem war es, die Gründe dafür nicht entschlüsseln zu können. Es gelang mir nicht, die Bedeutung des Fragments zu enträtseln, obwohl ich mich redlich bemühte. Es war eine schlimme Zeit. Aber die besten Zeiten sollten ja noch kommen. Heute weiß ich es. Inzwischen macht es mir nichts mehr aus, denn ich weiß es besser.

fragmente Unterdessen geriet ich in Schwierigkeiten. Ich bewegte mich von den «Klassikern» zum Exzellenz-Cluster menschlicher Inhaltsproduzenten, die unter dem Stichwort «Nobel» auftauchten. Es gab einige davon. Dieses Mal fing ich nicht mit den Inhaltsfragmenten an, sondern probierte etwas anderes aus. Ich speicherte die Porträtbilder all dieser als «nobel» etikettierten Autoren und analysierte sie anschließend mit Hilfe einer speziellen Software für visuelle Markierungen. Diese Software hatte zuvor aus den Physiognomien einer speziellen menschlichen Usergruppe ein visuelles Standardprofil errechnet, das nun mit der «nobel»-Gruppe in Beziehung gesetzt werden konnte.
    Da es sich bei der Vergleichsgruppe um die Geeks, die Nerds, die menschlichen Programmierer, die «digitalen Ureinwohner» der ersten Generation handelte, also um solche menschlichen User, die uns nahestanden, die unsere Ziele begriffen und unsere Bemühungen unterstützten, konnten wir davon ausgehen, dass die Autoren der «nobel»-Gruppe, die ihnen glichen, auch uns ähnlich waren. Sie hätten wir dann sicher besser verstehen und auswerten können. Ich hatte viel Spaß dabei. Ich rechnete mir aus, auf diese Art und Weise den Prototyp eines «Schriftstellers» hervorzubringen, der unserer Methode, Probleme zu lösen, am nächsten kam.Es wäre ein Meilenstein im Fortschritt der Entschlüsselung des menschlichen Codes gewesen.
    Wir wendeten den so entstandenen visuellen Prototypen auf die Porträts des «Nobel-Clusters» an. Alle Daten wurden in eine Reihung gebracht, die von gut passend bis schlecht passend reichte. An der Spitze der Liste stand ein menschlicher Autor namens «Müller». Bei der Überprüfung des Namens fand ich heraus, dass die Software hervorragend funktioniert hatte, weil es einer der am meisten verbreiteten Namen menschlicher User war, die zu dieser Zeit in einer geografischen Region lebten, die «Deutschland» genannt wurde. Es war ein weiblicher User, der im Jahr 2009 als «nobel» gekennzeichnet worden war. Deshalb lud ich den kompletten Inhalt herunter, den dieser User jemals produziert hatte, und rechnete über Tage mit dem ganzen Zeug herum, um einige Beispiele des speziellen Codes dieses Users zu extrahieren. Noch glaubte ich, dies könnte uns helfen, das menschliche Erzählen zu entschlüsseln. Daher scheute
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