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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel
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mittelalterlichen Alchimistentextes heißt es, Engel lieben nicht wie menschliche Wesen. Sie haben keinen Leib.»
    «Wie machen sie es dann?» fragte ich.
    «Sie haben eine viel bessere Methode», sagte Sam. «Sie vermischen sich und werden für kurze Zeit eins, wo vorher zwei waren. Aber Engel sind eben nicht aus Fleisch und Blut. Sie sind aus Mondschein und kosmischem Staub.»
    «Sind wir Engel? Was meinst du?» fragte ich, während ich mich in seinen Armen zurücklehnte und lächelte. Sam küßte mich.
    «Ich denke, wir sollten unseren Sternenstaub vermischen, Engel», sagte er. Dann zog er mich an der Hand hinunter ins Gras, so daß ich, umgeben von Blumen, auf ihm lag. «Ich möchte, daß du tust, wonach dir zumute ist – oder daß du gar nichts tust. Ganz wie du willst», sagte er lächelnd. «Ich bin dir zu Diensten. Mein Körper ist dein Instrument.»
    «Kann er El Amor Bujo spielen?» fragte ich lachend. «Er kann spielen, was immer der Virtuose auf ihm spielen
    will», versicherte er mir. «Was wirst du spielen?» «Ich fühle mich plötzlich wie oberhalb der Baumgrenze»,
    sagte ich ernst.
    «Dort waren wir schon einmal, und wir haben es überlebt», sagte Sam leise, während er meine Finger nahm und damit über seine Lippen strich. «Wir sind schon einmal zusammen ins Licht gegangen, als uns unsere Totems gefunden haben. Weißt du es noch, Ariel?»
    Ich nickte. Ja, ich wußte es noch.

    Als der Silberlöwe und zwei Bären von jenem Berg verschwunden waren, saßen Sam und ich sehr lange – vielleicht mehrere Stunden lang – still nebeneinander, und nur unsere Fingerspitzen berührten sich. Als dann die Morgendämmerung anbrach, hatte ich das unheimliche Gefühl, als ob sich etwas in meinem Körper veränderte oder verlagerte wie rieselnder Sand. Dann bewegte ich mich plötzlich von der Erde weg und schwebte durch die Luft hoch hinaus in den Raum. Ich fühlte mich von meinem Körper völlig getrennt, doch ich hatte trotzdem Form und Gestalt. Ich schwebte wie ein mit Helium gefüllter Luftballon am nachtblauen Himmel.
    Für einen Moment hatte ich Angst, ich könnte herunterfallen oder daß ich tot war und die Erde für immer verlassen würde. Aber dann merkte ich plötzlich, daß ich nicht allein hier oben war. Sam war bei mir. Es war fast so, als würde er aus meinen eigenen Gedanken zu mir sprechen, dabei sah ich uns beide unten auf der Erde nebeneinander sitzen.
    «Schau nicht hinunter, Ariel», flüsterte Sam in meinem Kopf. «Schau nach oben. Laß uns gemeinsam ins Licht gehen…»
    Als Kinder waren Sam und ich ins Licht gegangen. Nun taten wir es auf einer Frühlingswiese wieder. Nur diesmal, das wußte ich, würde es ganz anders sein. Wir waren dabei, uns in eins zu verwandeln.
    Und diesmal hatte ich keine Angst mehr.

    Als ich Stunden später in Sams Armen lag, fühlte ich mich nicht erschöpft, sondern erfrischt und heiter, als würde Champagner durch meine Adern fließen.
    «Wie würdest du es beschreiben?» fragte ich Sam, während er seine Finger zwischen meine schob. «Ich meine, was wir eben erlebt haben?»
    «Hmm», sagte Sam. «Der technische Ausdruck wäre vermutlich gemeinsamer Orgasmus›. Ein sehr langer Orgasmus. Mehr oder weniger ein im Grunde endloser, stundenlanger gemeinsamer Nonstop – »
    Ich hielt ihm die Hand vor den Mund.
    «Andererseits», sagte Sam, während er mich auf die Schulter küßte, «könntest du es einfach Liebe nennen. Warst du überrascht?»
    «Ich habe noch nie etwas Ähnliches erlebt», gab ich zu. «Da bin ich aber erleichtert», sagte Sam. «Ehrlich gesagt geht
    es mir genauso wie dir.»
    Er setzte sich auf und sah mich an, wie ich da im Gras lag, und er strich mit den Fingern von meinem Kinn abwärts über die Mitte meines Körpers, bis ich bebte. Dann beugte er sich zu mir herunter und küßte mich auf den Mund – und es fühlte sich wirklich so an, als würden wir langsam Sternenstaub ineinander mischen.
    «Ich denke, wir sind bereit», sagte Sam. «Keine weiteren Proben – wie wärs mit einer echten Live-Performance?»
    Ein halbes Jahr später waren Sam und ich noch immer in den Bergen. Es war Anfang November. Dark Bear schickte uns Schneeschuhe, Langlaufski und ein paar Bärenfelle, damit wir für den bald einsetzenden Winter gerüstet waren.
    Wir waren mit der Übersetzung der Manuskripte von Earnest, Lafcadio, Zoe und der Runen, die Jersey von Augustus gestohlen hatte, beinahe fertig. Wie Wolfgang und andere vermutet hatten, wiesen diese
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