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Neverwake

Neverwake

Titel: Neverwake
Autoren: Tobias O. Meissner
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erstmal das ölige Zeug raus. Das ist kein Regen, das ist wieder dieser Niederschlag.«
    Esch salutierte ihr im Monitorspiegelbild zu und ging in die Naßzelle, um sich mit der Brauchwasserration herumzuärgern. Als er wieder zum Vorschein kam, trug er ein Handtuch über dem Kopf wie ein Statist in einem Monumentalfilm.
    »War der Kampf schlimm?« fragte Darina.
    »Zwölf Punkte. Verdammt ärgerlich. Jetzt ist Tabula auf 509 runter. Allerdings hatte dieser Scheiß -Padraigin-King 47 Punkte mehr als ich. Ohne diesen Vorsprung hätte ich mit ihm den Boden aufgewischt.«
    »Schon klar. David gegen Goliath läuft in Wirklichkeit meist anders ab als in der Bibel.«
    »Ja, die Bibel lügt. Woran arbeitest du?« Esch küßte sie auf die Nase und den Mund, und diesmal zuckte sie nicht zusammen, sondern schmiegte sich ihm entgegen.
    »Ich mache einen Essay über The Black Hole. Kannst du dich noch an den erinnern? Ein alter Science-Fiction-Streifen von 1979.«
    »Hab ich als Kind, glaub ich, mal im Fernsehen gesehen. Ich fand ihn ziemlich langweilig.«
    »Der Film hatte ein interessantes Problem. Einerseits hatte er eine ultra-anspruchsvolle Grundidee, den Aufbruch der Menschheit in ein neues Universum, am ehesten mit Kubricks 2001 vergleichbar, kombiniert mit Motiven aus Wilhelm Hauffs Geschichte vom Gespensterschiff, zum anderen wurde er aber von Disney produziert und als direkter Mitbewerber um die dicksten Stücke des Star-Wars -Kuchens ins Rennen g e schickt. Da sind knuddelige Androiden und böse Roboter und Laserstrahlgefechte und Verfolgungsjagden und lauter so keimfreies Brimborium mit reingestreut. Das ließ den Film insgesamt in drei völlig inhomogene Teile auseinanderbrechen wie ein havariertes Wrack. Ein stimmungsvoller Anfang mit dem wahrscheinlich schönsten Großraumschiff der Filmg e schichte, dann ein völlig behämmerter und viel zu langer Mittelteil, und schließlich ein psychedelisches Ende samt heavy-christlicher Symbolik. Eine Chimäre also. Der Film ist Flickwerk, wie die Dinger, die regelmäßig aus Frankensteins Labor raustorkeln.«
    »Und was ist dein Ansatz? Willst du den Film retten oder verdammen?«
    »Ich will ihn retten, denn verdammt ist er schon. Im Kino war er damals ein Riesenflop, und mittlerweile kann man ihn auch in den bestsortiertesten Mediatheken nicht mehr finden. Und das ist traurig, denn er bietet mythologischen Stoff pur.«
    »Erklär ’ s mir.«
    »Das Raumschiff, das durchs Schwarze Loch will, heißt Cygnus. Das ist das lateinische Wort für Schwan. Übrigens erinnert das Umrißdesign des Schiffes auch tatsächlich an einen Schwan, mit einem langen Hals und zwei angedeuteten Flügeln. Wenn wir nun das Schwarze Loch selbst – im lov e craftschen Sinne – als ansaugende, kosmische Vagina begre i fen, haben wir es hier mit einem Geschlechtsakt zwischen einer all-umfassenden Urmutter und einem technizistischen Schwan zu tun. Das ist die Science-Fiction-Variante des Leda-Mythos. Das Ergebnis von Ledas unartigen Spielchen mit dem als Schwan getarnten Zeus waren die Zwillinge Castor und Pollux alias Kastor und Polydeukes, die auch als Dioskuren berühmt wurden. Im Film verschmilzt der Schauspieler Maximilian Schell mit einem Roboter, der ebenfalls Maximilian heißt, zu einem siamesischen Zwilling, einem Shiva mit Gottesantlitz – das sind die Dioskuren, wie in der Legende auf ewig in Hi m mel und Hölle vereinigt und als Sternbild Zwillinge verewigt. Das ist starker Tobak. Etwas zu stark für ein Kinopublikum, das es vorzog, den All-American-Farmerboy Luke Skywalker gegen den von Nazis befehligten Todesstern kämpfen zu sehen.«
    »Und du meinst allen Ernstes, daß die Macher von Das schwarze Loch griechische Mythologie im Sinn hatten, als sie den Film machten?«
    »Das ist völlig unerheblich. Ein Kunstwerk enthält das, was wir darin sehen können, völlig unabhängig davon, ob sein Schöpfer ein Genie war oder ein Narr.«
     
    Am nächsten Tag schlief Esch lang aus, während Darina schon wieder ihre Tastatur beackerte. Für den Nachmittag hatte Esch eine Trainingseinheit im Laser Park gebucht, also suchte er sich ein paar Sportschuhe, ein Handtuch, Tabulas relevante Speichereinheiten und seine Notizkladden mit Special-Move-Listings zusammen, verstaute alles in einer geräumigen U m hängetasche und machte sich mit Straßenbahnen auf den Weg nach Weißensee.
    Der Laser Park war ein ehemaliges Fabrikgebäude in einem früheren Industriegelände, das größtenteils in einen
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