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Neva: Tag der Befreiung

Neva: Tag der Befreiung

Titel: Neva: Tag der Befreiung
Autoren: Sara Grant
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hundertmal geprobt, seit sein Freund Rich und er die verlassene Farm entdeckt haben. Sie wussten, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Polizei sie entdecken würde. In einer Ameisenfarm können Ameisen sich nicht lange verstecken.
    Die Kanten der trockenen Blätter schneiden wie Messer, als er durch die exakt parallel verlaufenden Reihen kriecht. Er robbt über unebene Bodenwellen und weggeworfene Maiskolben. Der Feldweg ist nicht mehr weit. Die Richtung, aus der die Rufe und das Licht kommen, sagt ihm, dass die Polizei ihre Kommandozentrale im Hof der Farm eingerichtet hat. Aber vielleicht bewegen sie sich auch im Halbkreis auf das Feld zu wie Jäger, die Fasane aus den Büschen aufscheuchen wollen. Ohne anzuhalten, schlängelt Jack sich aus seinem Overall und streift ihn ab wie eine zweite Haut. Er trägt immer eine schwarze Hose und ein Hemd darunter, um bereit zu sein. Wie in einer Nachahmung der Evolution vom Affen zum Menschen richtet er sich auf, während er sich vorwärtsbewegt, bis er schließlich auf zwei Beinen geht. Er hält einen Moment inne, holt eine Flasche Wasser aus seinem Rucksack und schüttet sich das, was noch darin ist, über den Kopf. Dann fährt er mit den Händen durch sein welliges Haar, bis es glatt anliegt. Schließlich wischt er sich das Gesicht ab und hofft, dass wenigstens der gröbste Schmutz abgerubbelt ist.
    Als er die Straße erreicht, nimmt er den Kopf hoch und zieht die Schultern zurück. Er versucht, nicht instinktiv den Kopf einzuziehen, als er in ein paar Metern Entfernung eine Gestalt sieht, die genauso gekleidet ist wie er. Schatten – so werden Polizisten genannt. Nicht nur, weil sie von Kopf bis Fuß schwarz angezogen sind, sondern auch, weil es ihnen an Substanz zu mangeln scheint. Der Polizist ringt mit einem Mädchen. Sie wehrt sich wie ein wildes Tier und fährt ihm mit den Nägeln ins Gesicht.
    Jill.
    Er geht direkt auf die beiden zu. Er presst die Kiefer zusammen. Die geballten Fäuste fühlen sich an seinen Seiten an wie tote Gewichte. Der Wunsch, sich ins Handgemenge zu stürzen, ist fast überwältigend, aber er presst nur die Ellenbogen an den Körper und geht schneller.
    Dem Officer gelingt es, Jill zu Boden zu ringen und ihre Arme auf den Rücken zu drehen. Er schlingt ihr eine Plastikschlaufe um die Handgelenke und zurrt sie fest. Dann richtet er sich auf, drückt ihr jedoch einen Stiefel in den Rücken.
    »Das war ja einfach«, sagt der Mann, als er Jack sieht. »Am Haus haben wir mindestens zwanzig erwischt.«
    Die Maisstengel weiter voraus rascheln, und zwei Gestalten kommen heraus. Sie erstarren, als sie die Uniformen sehen. Jack erkennt sie sofort – Rich und seine Freundin Carley. Vor drei Monaten waren Jack und Rich Jill und Carley an der alten Eisenbahnstrecke begegnet, ungefähr zwei Meilen von hier entfernt. Carleys Augen sind schreckgeweitet, und sie zittert am ganzen Leib. Es ist ihre erste Razzia. Wenn sie das hier übersteht, wird sie lernen, den Adrenalinschub zu kanalisieren und die lähmende Angst in positive Energie umzuwandeln. Die beiden erkennen Jack nicht. Sie sehen nur die Uniformen und verschwinden wieder im Maisfeld.
    »Worauf warten Sie?«, ruft der Officer Jack zu.
    Jill zappelt und strampelt unter dem Stiefel des Polizisten, so dass der Mann nicht sicher steht. Jack macht einen Satz nach vorne, als wolle er helfen, stolpert aber absichtlich und reißt den Officer mit sich zu Boden. Jill rollt sich herum, springt auf die Füße und sprintet in die Richtung davon, die Rich und Carley eingeschlagen haben. Jack ist überrascht, wie schnell sie ist, obwohl ihr doch die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden sind.
    Jack hat nur einen Sekundenbruchteil zum Handeln.
    »Ich schnapp mir das Mädchen«, sagt er und läuft hinter Jill her, bevor der Polizist protestieren kann. Er hofft, dass er Rich und Carley genug Vorsprung verschaffen konnte. Aber er hat schon erlebt, wie Rich einer ganzen Wagenladung Polizisten entkommen ist. Er und Rich haben früher oft in den obersten Etagen verlassener Wolkenkratzer gewohnt und sich mit Rollen und Stricken Flaschenzüge gebaut. Wenn die Polizei dann das Gebäude stürmte, musste es für sie so aussehen, als ob sie im Flug entkamen. Gemeinsam haben sie schon Dutzende Razzien überstanden. Und Jack kann nur hoffen, dass das Glück ihnen weiterhin gewogen ist.
    »Fass mich nicht an, du dreckiger-«, kreischt Jill, als Jack sie eingeholt hat und ihre Handgelenke packt. Sie wirft sich mit ihrem
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