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Neva: Tag der Befreiung

Neva: Tag der Befreiung

Titel: Neva: Tag der Befreiung
Autoren: Sara Grant
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Baseball-Kappen zur Seite. »Ah, der ist wie für dich gemacht.« Swap ersetzt die grüne Kappe durch einen camelfarbenen Fedora. Er ist etwas aus der Form geraten, und das Hutband fehlt. Swap zieht die Krempe tief über Jacks Brauen.
    »Die Damen der Stadt werden vor Entzücken ohnmächtig werden«, sagt er mit einem Lachen.
    Jack grinst. »Ich habe nicht viel zu tauschen, aber was ich habe, muss für etwas Besonderes draufgehen.«
    »Hm, mal sehen …« Swap tritt gegen einen schwarzen Plastikmülleimer und taucht in eine große Gefriertruhe, aus der gebrauchte Kleider quellen. »Ich hätte noch einen Overall und zwei Stiefel – sie gehören zwar nicht zusammen, sind aber ein linker und ein rechter und haben ungefähr deine Größe.«
    »Heute nicht, Mann«, sagt Jack. »Ich brauche drei Rollen Klebeband.«
    Swap sieht ihn erneut von Kopf bis Fuß an, als sei ihm beim ersten Mal etwas entgangen. »Was hast du vor? Ich hoffe, du willst nicht wieder – äh, wie war das noch? Hundert Schlüssel an die Gründerstatue kleben?«
    »Es waren vierhundertdreiundzwanzig, aber nein, diesmal ist es für etwas Privates.«
    »Oho!« Swap stößt einen Pfiff aus. »Es hat doch nicht etwa mit dieser zickigen Kleinen zu tun, die du mir letzten Monat angeschleppt hast?«
    »Du hättest nicht versuchen sollen, ihr Unterwäsche zu verkaufen. Warum hast du nicht einfach ein bisschen mit ihr geplaudert?« Jack kaut auf der Innenseite seiner Wange. »So schlecht war sie gar nicht. Na, wie auch immer – sie ist nicht mehr bei mir.«
    Swap schüttelt den Kopf. »Über kurz oder lang wirst du von hier verschwinden müssen. Die Regierung lässt sich deine Spielchen nicht ewig gefallen.«
    »Ach, du würdest mich viel zu sehr vermissen«, sagt Jack. Er hat noch niemandem gesagt, warum er wirklich hierbleibt.
    »Ich sehe dich nicht häufig genug, um dich zu vermissen.« Swap schlendert zur hinteren Wand. Wackelige Türme aus Kisten und Kartons lehnen dagegen; sie sehen aus, als könnten sie jeden Moment umstürzen. Swap streckt einen Zeigefinger aus und nickt rhythmisch, als zähle er. Dann tritt er an einen Turm und hebt die obersten drei Kartons ab. Er blickt in die Kiste darunter und holt drei Rollen heraus, dickes, mattsilbernes Panzerband. Er wirft sie Jack zu, der sie auffängt und in sein Hemd steckt.
    Jack nimmt eine etwa dreißig Zentimeter lange Pappröhre aus seiner Tasche.
    »Was soll ich denn damit anstellen?«
    »Tausch es an jemanden, der mehr Mumm hat als ich«, sagt Jack. »Lagere es trocken und nicht in der Nähe von Hitze – es sei denn, du möchtest ein kleines privates Feuerwerk veranstalten.«
    »Schade«, sagte Swap. »Dabei hatte ich mich schon auf eure Lightshow gefreut.«
    »Ja, ich würde auch gerne eines Nachts gen Himmel blicken, eine grüne Sternenexplosion sehen und mich selbst dazu beglückwünschen.« Jack klopft auf die Rollen Klebeband unter seinen beiden Hemden. »Aber das hier ist im Augenblick wichtiger. Dank dir, Swap.« Er gibt ihm den Fedora zurück.
    Swap drückt seine Hand weg. »Behalt ihn. Kerle wie wir müssen doch aufeinander aufpassen, nicht wahr?«
    Jack tippt sich an den Hut. Und spürt etwas in sich glimmen. Es bleibt kurz in seiner Kehle stecken, bevor er es wieder hinunterzwingen kann. Er verschwindet durch einen anderen Gang und macht sich auf den einstündigen Marsch. Er kennt den Weg so gut, dass er erst eine Kerze anzündet, als er nur noch ein paar Meter von seinem Ziel entfernt ist.
    Für das ungeübte Auge endet der Bahnschacht vor einer Backsteinmauer. Doch Jack räumt ein paar Ziegel in der unteren rechten Ecke weg und kriecht hindurch. Auf der anderen Seite verschließt er das Loch wieder. Er bläst die Kerze aus. Licht dringt durch das zerbrochene Oberlicht des verlassenen Bahnhofs. Er schlüpft durch die lockeren Bretter, mit denen der Eingang vernagelt ist.
    Er huscht von Schatten zu Schatten, bis er sich auf einem Friedhof wiederfindet. Er legt die drei Rollen Klebeband auf das Grab seiner Mutter und duckt sich hinter einen steinernen Obelisken, der mit Moos und Schimmel überzogen ist. Die spitz zulaufende obere Hälfte ist abgebrochen und lehnt am Fuß des Steins, und alle untereinander in den Stein gemeißelten Namen, bis auf den letzten, sind verwittert. Er bezweifelt, dass hier überhaupt jemand begraben ist.
    Nun wartet er.
    Ein Mädchen mit wilder Mähne und wehendem Rock stürmt den Hügel der Kirche herab. Sie kommt ihm vor wie eine Steppenhexe, die der Wind die
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