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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer
Autoren: William Gibson
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Neuromantischen Statement der ganzen Veranstal—tung verdutzte.
    »Wie viele von Ihnen glauben, daß die Leute in fünfzig Jahren eindeutig
    als Menschen erkennbar sein werden?« fragte er das Publikum.
    Ein Wald von erhobenen Händen.
    »Sie irren sich alle«, erklärte Bear mit seiner üblichen Gelassenheit.
    In der »short story«-Version von Bears »Blood Music« schlägt ein Experiment mit Biochips, das heißt mit einer DNS als Read-Write-Computerspei—cher, fehl. Die veränderten Moleküle werden wissend, das Bewußtsein
    steigt auf vorzellulare Stufe ab. Diese »Noozyten« breiten sich aus wie
    eine Seuche und infizieren die Bevölkerung. Die Menschen entwickeln
    sich (oder - anders betrachtet - verfallen) zu kolonienbildenden Organismen, wobei jedes Molekül mit menschlicher Intelligenz bestückt ist. Die Noozyten lösen die Menschheit schließlich in ihre zusammengesetzten
    Moleküle auf, womit die Menschheit verschwindet, abgelöst von einer
    neuen, intelligenten Lebensform. Eine Art wissenschaftliche Horrorstory.
    Als Bear die Kurzgeschichte Blood Music zum Roman erweiterte, wurde er philosophisch und zu einem Neuromantiker. Während die Kurzgeschichte mit den die Menschheit ablösenden Noozyten endet, knüpft der Roman mit der Ergründung der neuen Noozyten-Welt an. Die Persönlichkeiten der verschwundenen Menschheit werden dupliziert, vervielfacht 266
    und auf Noozyten-Ebene gespeichert, von Noozyten als obskures Erbe be—
    wahrt und damit vielfach unsterblich gemacht. Wir erleben, wie die Intelligenz eines leicht zurückgebliebenen Mädchens verstärkt wird durch die Übersetzung seiner Persönlichkeit in die »Noosphäre.« Die Noosphäre selbst wird gewissermaßen eine transzendentale Software-Realität, ein
    Reich der Illusion vielleicht, aber auch ein höherer Daseinszustand, in mystischer Verherrlichung letztendlich losgelöst vom physischen Universum.
    Bears Haltung im Roman zu dieser Nachfolge der Menschheit, die uns als
    weiser, als geistiger vorgestellt wird, ist billigend, positiv, romantisch, neuromantisch im Extrem, denn hier haben wir den totalen Ausdruck der Verschmelzung von »hard science« und romantischem Transzendentalismus, der Transzendenz des physischen Universums via das Instrumentarium von Wissenschaft und Technik.
    Freilich ist nicht einmal Blood Music das zeitgenössische Werk, das das Neuromantische Ethos am vollkommensten zum Ausdruck bringt. Während Bear die menschliche Evolution zu einem konvergenten, transzendentalen Endpunkt kommen läßt, wobei die Menschheit von einem höheren Bewußtsein abgelöst wird, das schließlich das physische Universum transzendiert, hat diese Idee viele Vorläufer, angefangen von Olaf Staple-don und von Arthur C. Clarkes Childhood's End bis zu den hinduistischen und buddhistischen Schriften. Bruce Sterlings Roman Schismatrix hingegen schlägt andere Wege ein und bringt auf seine Weise noch radikaler unsre trauten Definitionen des Menschlichen durcheinander.
    Schismatrix ist die etwas pikareske Geschichte des Diplomaten und Draufgängers Abelard Lindsay, der durch Raum und Zeit des Sonnensystems streift. Von der Weltraumkolonie im Mondorbit über den Asteroi—dengürtel zu äußeren Satelliten durchwandert Lindsay eine Reihe vollkommen künstlicher Welten und vermittelt dem Leser nebenher tiefen Einblick in ein ganzes Stück Geschichte.
    Die historische Dynamik von Sterlings Sonnensystem ist durch die lange, bald feindselige, bald sich gegenseitig durchdringende Dialektik zwischen »Mechs« und »Shapers« bedingt. Die »Mechaniker« betreiben Kyborg—Technik, während die »Former« sich mit Genmanipulation und biologischer
    Transformation befassen. Ihre endlosen Konflikte werden gelegentlich militärisch ausgetragen, meist aber ökonomisch, diplomatisch, technologisch und ästhetisch ausgefochten, und während auf beiden Seiten Erfolg 267
    und Niederlage einander ablösen, wechseln Ströme von Abweichlern und
    Flüchtlingen wie Lindsay zwischen den Fronten hin und her. Was sich
    schließlich aus all dem herauskristallisiert, ist das Schisma des Titels, ein Sonnensystem von verwirrender menschlicher Komplexität, in dem das »
    Posthumane« und das »Kladogenetische« die Schlüsselrolle spielen.
    Das Posthumane ist weiter nichts als die Beschreibung der Situation,
    die sich nach Jahrzehnten der Genmanipulation, der Kyborg-Praxis, des
    Klonings und der Kombination beider spezies-verändernden Technikrich—
    tungen ergibt. Die
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