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Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Neumond: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Daniela Larcher
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Druck verspüren, ständig etwas erreichen zu müssen, sondern lieber genauso leben wie sein dicker Kater Fred es das ganze Jahr über machte. Fred war ein Meister in der hohen Kunst des süßen Nichtstuns, ein Experte im Entschleunigen. Morell wollte Katzenurlaub, keinen Ameisenurlaub!
    Gemächlich ging er zu Valerie und Leander hinüber, die bereits fröhlich plaudernd an einem der Tische saßen, Kaffee tranken und über einer Landkarte Pläne für den bevorstehenden Tag schmiedeten.
    »Wir könnten mit der Sesselbahn bis zur Mutteralm fahren und dann die Abfahrt zur Sonnenhütte nehmen«, schlug Leander gerade vor.
    »Genau«, stimmte Valerie begeistert zu. »Von dort aus können wir dann mit dem Schlepplift zum Alpjoch hoch.«
    Morell, der eine völlig neue Bedeutung des Begriffs ›Morgengrauen‹ für sich entdeckt hatte, schnappte sich wortlos einen Teller und schlenderte zum Frühstücksbuffet. »Henkersmahlzeit«, murmelte er und lud sich frische Semmeln, Käse, Marmelade, gekochte Eier und Heidelbeer-Pfannkuchen auf den Teller. Er würde viele Fettpolster brauchen, um all die schweren Stürze abzufedern, die ihm bevorstanden.
    Gerade als er zurück zu den beiden Skifanaten gehen wollte, fiel sein Blick in die Lobby, wo eine große, dunkelhaarige Frau wild gestikulierend auf die um einen Kopf kleinere Frau Oberhausner einredete. Hatte der autistische Junge diese Nacht etwa wieder das halbe Hotel mit seinem Tatzelwurm-Geschrei wachgehalten?
    Morell steckte sich ein Stück Käse in den Mund und beobachtete die Szene: Frau Oberhausner hatte die Schultern hochgezogen, schüttelte vehement den Kopf und hob abwehrend die Hände in die Höhe. Ob sie Hilfe brauchte? Er nahm einen Bissen von seinem Heidelbeer-Pfannkuchen und nickte anerkennend – wer auch immer den gemacht hatte, verstand sein Handwerk. Nach einem weiteren Bissen wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Szene in der Lobby zu, in die gerade Bewegung gekommen war: Die schwarzhaarige Frau stapfte in Richtung einer Tür, auf der ›Privat‹ stand, doch Frau Oberhausner packte sie am Arm und zog sie zurück. Die beiden würden doch wohl keine Rangelei anfangen?! Morell überlegte. Sollte er eingreifen? Wenn er der Wirtin zu Hilfe eilte, würde er sich in etwas einmischen, das ihn nichts anging – andererseits könnte er damit vielleicht wieder gutmachen, dass er gestern so unfreundlich zu ihr gewesen war. Er kratzte sich am Kopf, drehte sich kurz um und schaute zu Valerie und Leander. Die beiden waren noch immer so vertieft in ihre Tagesplanung, dass sie seine Abwesenheit gar nicht zu bemerken schienen. Er stellte seinen vollgefüllten Teller auf einem freien Tisch ab, machte ein paar leise Schritte auf die Rezeption zu und tat so, als würde er in einer der Tourismus-Broschüren lesen, die dort herumlagen.
    »Ich lasse Sie nicht zu ihm. Bitte gehen Sie jetzt«, bat Frau Oberhausner eindringlich. Als sie Morells Anwesenheit bemerkte, senkte sie ihre Stimme. »Er hat sicher nichts gesehen. Er lebt in seiner ganz eigenen Welt – das verstehen Sie nicht!«
    Die andere Frau schien sich nicht um Morells Anwesenheit zu scheren. Sie antwortete völlig unbeirrt in einem lauten, entschlossenen Tonfall: »Nein,
Sie
verstehen nicht! Ihr Sohn ist meine letzte Chance. Er ist der einzige, der vielleicht bestätigen kann, dass ich recht habe. Bitte! Ich werde auch ganz ruhig und freundlich sein und nur ganz kurz mit ihm sprechen.« Sie versuchte erneut, zu der Privat-Tür zu gehen.
    »Nein!« Frau Oberhausner stellte sich ihr in den Weg. »Sie lassen uns jetzt in Ruhe, sonst muss ich die Polizei rufen.«
    Morell entschied, dass das sein Stichwort war. Er ging zur Wirtin und stellte sich neben sie. »Alles in Ordnung hier?«, fragte er. »Brauchen Sie Hilfe?«
    »Nein, nein«, meinte sie peinlich berührt und wischte nervös die Hände an ihrer Schürze ab. »Machen Sie sich bitte keine Mühe. Genießen Sie lieber Ihr Frühstück.«
    Morell musterte die schwarzhaarige Frau: Sie hatte grüne Katzenaugen, unter denen tiefe, dunkle Schatten lagen. Wie es schien, war er nicht der einzige, der in der vergangenen Nacht schlecht geschlafen hatte. Er drehte sich wieder zu Frau Oberhausner. »Tut mir leid, ich wollte mich nicht in Dinge einmischen, die mich nichts angehen. Aber ich habe gehört, dass Sie die Polizei rufen wollten, und da ich selbst Polizist bin, dachte ich …«
    »Sie sind Polizist?« Die Frau mit den Katzenaugen sah ihn erwartungsvoll an.
    »Zwar in
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