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Neugier und Übermut (German Edition)

Neugier und Übermut (German Edition)

Titel: Neugier und Übermut (German Edition)
Autoren: Ulrich Wickert
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über das nachdenken, was ich sage. Das hält natürlich kolossal auf.«
    Schon während des Dritten Reichs war er ein äußerst populärer Mann, obwohl er immer wieder eingesperrt wurde. Seiner Beliebtheit tat das keinen Abbruch, sodass er selbst im Gefängnis von den Wärtern mit Respekt behandelt wurde. Nach dem Attentat vom 20. Juli stellte die Gestapo fest, dass viele Offiziere, die zum Kreis der Attentäter gezählt wurden, auf vertrautem Fuße mit Finck gestanden hatten. Also wollte ihn die Gestapo verhaften. Doch Finck hatte Unterschlupf bei der Wehrmacht gesucht, und als SS-Mann Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamtes, auf Bitten von Goebbels dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Willhelm Keitel, einen hohen SS-Rang anbot und ihn gleichzeitig ersuchte, Finck aus der Wehrmacht zu entlassen, zeigte der ausnahmsweise Rückgrat, lehnte den SS-Rang mit Empörung ab und weigerte sich gleichzeitig, Finck der Gestapo auszuliefern. So kam Finck nur in ein Wehrmachtsgefängnis und wurde tagsüber der Gestapo zum Verhör überlassen.
    Im Wehrmachtsgefängnis stand seine Zellentür stets offen, immer wieder kamen gelangweilte Schließer zu ihm, lehnten am Türrahmen, um sich bei dem prominenten Gast die Zeit zu vertreiben, weil er so freundlich und geistreich zu jedermann war. Aber mit der Zeit wurde Finck diese Beanspruchung doch etwas lästig. Er hatte von draußen Bücher über Pascal und Kierkegaard erhalten, sammelte Material für eine Geschichte des Komischen, schrieb Gedichte und Geschichten. Eines Abends wollte ihm der Gefängnisschreiber neue Bücher bringen, doch er fand die Zellentür von innen verschlossen. Er klopfte, hörte ein dumpfes »Augenblick, bitte«, einen Schemel rücken, Schritte, dann öffnete der Zelleninsasse und bot den Gast freundlich hinein, und Finck verschloss die schwere Tür hinter ihm wieder sorgfältig mit Hilfe von zwei Nägeln und einem Bindfaden.

    Als ich erfuhr, dass Werner Finck im Herbst 1967 als Ehrengast auf dem Bundespresseball in Bonn sein würde, beschloss ich sofort, ihn anzusprechen. Ich war damals zwar noch Student, aber es gehörte in unserer Clique zu den Mutproben, sich auch ohne Einlasskarte beim Bundespresseball in der Beethovenhalle einzuschleichen. Voraussetzung war der Besitz eines Smokings. Den hatte mir ein Nennonkel geschenkt, als ich zum Studium in die USA aufbrach, denn »dort brauchst du das«, hatte er – gegen den Protest meines Vaters – gesagt.
    In den frühen sechziger Jahren gab es noch wenig Sicherheitskontrollen, an Terroristen, an Gewalttäter dachte niemand, nicht einmal im Traum.
    So hatten wir schnell herausgefunden, dass es eine ganz einfache Möglichkeit gab, gegen zehn oder halb elf in die Beethovenhalle zu gelangen. Denn um diese Zeit gingen manche männlichen Gäste mit den Ballgeschenken zum Auto, um sie dort abzulegen, und so musste man sie nur imitieren. Schnellen Schritts rauschte man an den Kartenkontrolleuren am Eingang vorbei, vielleicht mit dem Satz: »Ich habe eben nur die Ballgeschenke ins Auto gebracht!«
    Das hatte im Jahr zuvor noch gut geklappt.
    Da war Hildegard Knef Ehrengast beim Presseball gewesen. Anders als heute, wo Unternehmen ihre wichtigsten Anzeigenkunden zum Presseball nach Berlin einladen und – außer dem Bundespräsidenten und seiner Frau – kaum noch ein Politiker dort auftritt, mischten sich damals die wichtigsten Journalisten aus der ganzen Republik mit der gesamten politischen Klasse. Kanzler, Minister, Bundespräsident, alle folgten der Einladung.
    Ich wurde Justizminister Richard Jaeger vorgestellt und fragte ihn: »Darf ich den Kopf aufbehalten?« – Kopf-ab-Jaeger war der Spitzname des Ministers, weil er für die Todesstrafe eintrat.
    Hildegard Knef saß neben Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier, und ich sagte einem Freund: »Dem spanne ich jetzt die Knef aus!«, was ich auch tat.
    Klar, Mutprobe!
    Ich trat an den Ehrentisch, unterbrach den Bundestagspräsidenten, der mich kannte, und sagte über seinen Kopf hinweg zur Knef, die vorher gesungen hatte: »Gnädige Frau, sie waren prima.« Gerstenmaier fuhr mich gleich an, ob ich denn über keinen größeren Wortschatz verfüge als »prima«! Ich setzte mich mit an den Tisch, was Gerstenmaier gar nicht gefiel, deshalb forderte er sie zum Tanzen auf.
    Er sagte: »Ich glaube, wir sollten uns dem Publikum zeigen.«
    Daraufhin die Knef: »Wie, wollen Sie jetzt singen?«
    Franz-Josef Strauß kam vorbei und
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