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Neues Glück für Gisela

Neues Glück für Gisela

Titel: Neues Glück für Gisela
Autoren: Berte Bratt
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geweint?“ Sic setzte sich auf die Kante des Bettes und nahm seine Hand. „Ja, Willi, ich habe geweint, weil ich so froh bin.“
    „Du bist froh?“
    „Ja, froher, als ich je gewesen bin. Weil ich nun mit dir reden kann. Weil ich weiß… ach, Willi, Lieber, warum hast du mir das nicht erzählt?“ Eine dunkle Röte schoß in seine Wangen. „Was denn erzählt?“ Seine Stimme klang gepreßt. „Daß du hier aufgewachsen bist, selbst ein Siebeneichenkind.“ Ein Ruck ging durch ihn hindurch, und als er sprach, war seine Stimme mühsam beherrscht. „Also weißt du es jetzt.“
    „Ja, Willi, nun weiß ich alles zusammen.“
    „Und trotzdem fragst du, warum ich nichts erzählt habe?“
    „Ja, das tue ich allerdings. Ist es vielleicht etwas Unehrenhaftes, ein Kind aus einem Knabenheim zu sein?“
    „Wenn es das nur wäre. Weißt du alles, Gisela? Weißt du, daß ich nie gewußt habe und nie zu wissen bekommen werde, wer mein Vater ist?“
    „Ja, ich weiß es.“
    „Und weißt du, daß meine Mutter eine solche war wie… Tommis Mutter?“
    „Das habe ich erraten. Und ich weiß, daß du bloß eine Woche alt warst, als sie starb.“
    „Ja, sie konnte gerade noch meinen Namen bestimmen, es war wohl das Feinste, das sie sich ausdenken konnte…“
    „Ich mag deinen Namen gern.“
    „Gisela, weißt du, daß…“
    „Ja, Willi, ich weiß alles. Du warst ein sehr geschickter und begabter Junge, so daß du einen Freiplatz auf der Schule bekamst. Du bekamst auch Hilfe für dein Abitur, dann ein Stipendium für das weitere Studium. Und dann schließt der Bericht über dich.“
    „Da ist auch nicht viel mehr zu erzählen. Ich arbeitete mich durch die Studienzeit mit Privatunterrichtgeben und allerhand Gelegenheitsarbeiten. Dann hatte ich ein paar Vertretungen als Lehrer, sparte mir etwas Geld. Der Heimleiter von Siebeneichen wollte sich in ein paar Jahren zurückziehen und fragte bei mir an, ob ich gewillt wäre… Na, also, so zog ich nach Schweden und Dänemark, um Kinderpsychologie zu studieren, und dann bekam ich hier die Stellung.
    Siehst du, Gisela, ein Waisenkind zu sein, gibt einem ein besonderes Gepräge. Es ist schwierig, sich in der Welt, die außerhalb liegt, zurechtzufinden. Hier gehörte ich hin. Und ich war froh, als ich hierher zurückkehrte. Aber, Gisela…“ Willi versuchte, sich im Bett aufzurichten, doch Gisela drückte ihn sanft, aber bestimmt zurück. Sie legte seine Kissen besser zurecht. Er sah sie mit einem beinahe hilflosen Blick an und fuhr fort: „Verstehst du jetzt, warum ich nie heiraten will? Daß ich nie Kinder in die Welt setzen möchte? Ich habe in meiner Arbeit so viele Tragödien gesehen. Ich habe beobachtet, was schlechte Erbanlagen bedeuten können. Gisela, wer weiß, vielleicht können Geisteskrankheiten und andere furchtbare Dinge in meiner Familie liegen. Ich weiß ja nichts, gar nichts. Verstehst du, warum ich dir nie sagen konnte, daß ich…“ Er hielt inne, preßte die Lippen zusammen.
    „Sage es jetzt, Willi.“
    „Nein.“
    „Ach doch, bitte, sage es, Willi. Ich möchte so gern, daß du es sagst. Es gibt Worte, die eine Frau so gern von einem Mann hören will.“
    Er richtete seine Augen auf sie, sie hatten einen Ausdruck von Schmerz und Hoffnungslosigkeit. Seine Stimme war leise, aber fest und klar: „Ich liebe dich, Gisela.“
    Sie beugte sich zu ihm nieder, dann kniete sie bei seinem Bett und legte ihren Kopf an seine Brust.
    „Und dann kann ich es dir auch sagen, ich liebe dich, Willi, über alles in der Welt.“
    Sie legte ihren Arm vorsichtig unter seinen Nacken. Willi lag ganz still. Aber als ihr Mund den seinen fand, legte er den Arm um ihren Hals. Es wurde nichts weiter gesprochen. Gisela stand leise auf, und ihr Gesicht leuchtete.
    „Sage jetzt nichts mehr“, flüsterte sie. „Wir haben so viel miteinander zu sprechen. Ich komme heute abend zu dir herein.“
    Am Abend saß Willi im Bett, gut mit zwei Kissen abgestützt. Es war still im Haus, eine gute Stille nach einem geschäftigen Tag.
    „Willi“, sagte Gisela, „ich habe dir so viel zu sagen, daß ich nicht weiß, wo ich anfangen soll.“
    „Vielleicht ist es gar nicht so viel“, sagte Willi. Seine Stimme klang müde. „Siehst du, alles steht fest, alles, was ich gesagt habe. Ich liebe dich, Gisela, ich liebe dich über alles in der Welt. Und deshalb werde ich dich nie heiraten. Du mußt einen Mann nehmen, der Familie hat und – von dem du weißt, daß er gesundes Blut besitzt. Du sollst
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