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Neues Glück für Gisela

Neues Glück für Gisela

Titel: Neues Glück für Gisela
Autoren: Berte Bratt
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bitte?“
    „Guten Morgen, Rolf. Gut geschlafen?“ ertönte Giselas Stimme. „Doch, ja. Wieso kannst du denn mit mir telefonieren? Wo bist du denn?“ Gisela lachte.
    „Auf meinem Zimmer. Man kann von Zimmer zu Zimmer anrufen, verstehst du? Also, Rolf, wenn du fertig angezogen bist, dann rufe mich an, dann werden wir hier frühstücken und einen Schlachtplan für den Tag entwerfen. Du weißt, wir haben viel vor.“
    „Wie soll ich dich denn anrufen. Antwortet dann nicht das Amt draußen in der Stadt?“
    „Du hebst bloß den Hörer ab, und dann meldet sich die Dame von der Zentrale hier im Hotel. Dann bittest du um Zimmer 18. So einfach ist das.“
    Es wurden zwei unvergeßliche Tage für Rolf.
    Als das Wesentliche besorgt war, Maß und Gipsabdruck von Rolfs Fuß genommen und die Stiefel bestellt waren, begaben sie sich daran, Oslo zu besichtigen. Rolf bekam einen Prospekt über die Sehenswürdigkeiten der Stadt überreicht und traf glühend vor Eifer seine Auswahl.
    Das erste, was er bat, sehen zu dürfen, war das berühmte Polarschiff „Fram“, ferner „Kontiki“ und das Technische Museum. Er hatte „Fram übers Polarmeer“ und das Kontiki-Buch gelesen, und so verbrachten sie einen ganzen Vormittag auf Bygdöy.
    Im Technischen Museum war es Rolf, der die sachkundigsten Fragen an den Führer stellte. Der lächelte über das eifrige Bubengesicht. „Du hast, wie es scheint, diese Sachen gut studiert“, sagte er gutmütig. „Ja“, sagte Rolf, „und ich habe Amundsens Buch gelesen. Denk mal, dies war also das Flugzeug, mit dem er zum Nordpol geflogen ist.“ Rolf hatte einen andächtigen Ausdruck, als er dastand und auf die alte „N 25“ starrte.
    Sie waren auf Frognersaeteren, und sie waren im Theater, sie besichtigten die Seemannsschule und waren im Flughafen in Fornebu. Dort erlag Gisela einer Versuchung. Sie spendierte fünfzig Kronen pro Person, und dafür hatten sie einen Zehnminutenflug über Oslo. Rolf war mäuschenstill vor lauter Benommenheit.
    Am Sonntag vormittag waren sie in der berühmten Vigeland-Anlage im Frognerpark und dann in der Nationalgalerie. Nachher gingen sie an der Universität vorbei. „War es hier, wo du studiert hast?“ fragte Rolf.
    „Ja. Und Willi auch.“
    Er blieb stehen und sah das weiße Gebäude an.
    „Träumst du vielleicht davon, hier auch einmal studieren zu können?“ fragte Gisela. „Nein, hier nicht.“
    „Und wo sonst?“
    „Auf der Technischen Hochschule in Drontheim.“
    „Ach so. Und was möchtest du werden?“
    „Elektroingenieur.“
    Das kam so sicher, so unwiderruflich und mit einem so sehnsuchtsvollen Ton in der Stimme.
    Gisela sagte nichts weiter. Aber als sie am selben Nachmittag auf der Heimfahrt im Zug saßen und eine Weile allein im Abteil waren, brachte sie es zur Sprache.
    „Rolf“, sagte Gisela, „ich frage nicht aus Sentimentalität, sondern habe einen besonderen Grund: Betrachtest du mich als deine gute Freundin?“
    „Kannst du das fragen?“
    „Gut, ich will anderes fragen. Du hast keine Mutter. Könntest du dir denken… wäre es dir möglich, mich als so eine Art von Ersatzmutter zu betrachten?“
    Rolf richtete seinen Blick auf sie, voll und ehrlich.
    „Wenn du nicht so jung wärst, könnte ich mir beinahe einbilden, daß du meine Mutter bist.“
    „Dafür danke ich dir, Rolf. Und da du so fühlst, kann ich dir wohl ruhig sagen, daß ,deine Mutter’ gern etwas für dich tun möchte. Diesmal habe ich Willis Erlaubnis, denn davon haben wir schon gesprochen. Also lerne tüchtig auf der Schule, arbeite, was du nur kannst, und mache ein gutes Abitur. Nachher sollst du die Technische Hochschule besuchen und Diplomingenieur werden.“
    Rolf saß ganz still da und schluckte, immer wieder. Seine Augen strahlten Gisela an, fragend ungläubig, und dann ging es ihm langsam auf, was Giselas Worte wirklich bedeuteten.
    Aber es dauerte lange, ehe er die Sprache wiederfand. „Ich begreife es nicht, Gisela. Ich begreife nicht, warum du so schrecklich gut zu mir bist.“
    „Aber lieber Rolf, hast du noch nie davon gehört, daß es Leute gibt, denen es Freude macht, begabten jungen Menschen zu einer Ausbildung zu verhelfen?“
    „Ja, aber – warum bist du gerade zu mir so gut?“
    „Jetzt zwingst du mich, etwas zu sagen, was du vielleicht nicht gern hörst, weil du so ein unsentimentaler Junge bist. Aber du bist selbst daran schuld, du Schlingel. Warum ich das tue? Nun, weil ich dich liebhabe, Rolf, ganz einfach deshalb.“

Gisela
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