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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt
Autoren: James Kahn
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Wesen in die Lichtung. Sie waren unfassbar groß, wenn auch von unwirklicher Erscheinung. Vierbeiner, die Beine an die zwei Meter lang, kurze Schwänze, kurze, muskulöse Körper, gelbliches Fell, mit braunen Flecken bedeckt. Und die Hälse! Sie waren ebenfalls an die zwei Meter lang und gingen steil in die Höhe, als hätte irgendeine Wahnsinnskraft sie lang gestreckt. Die Köpfe waren dreieckig und trugen kleine Hörner. Sie schauten sich mit rollenden Augen um, fraßen Laub aus den Baumwipfeln, scharrten mit den scharfen Hufen und liefen wieder davon.
    Jasmine, Josh und Rose krochen betroffen aus dem Versteck.
    »Was war das?« fragte Rose leise.
    Josh schüttelte nur den Kopf.
    »Sie sind wohl auch aus den Träumen des Kindes entstanden.« Jasmine seufzte erleichtert. »Ich hätte mir nur gewünscht, dass sie bei ihren Erfindungen nicht so surrealistisch gewesen wäre.«
    Nach ungefähr einer Woche bereitete Aba seinen Fortgang vor. Er war ausgeruht, aber hungrig – seit vielen Tagen hatte er kein Blut mehr bekommen – und musste also nach einem Harem Ausschau halten. Nach der Flut hatte er keine großen Hoffnungen, aber er gedachte zu tun, was er konnte. Außerdem wollte er nach Phé und Paula suchen.
    Was dann werden sollte, wusste er nicht. Vielleicht zu Levs Behausung hinauffliegen, um nachzusehen, ob dort jemand überlebt hatte, vielleicht hierher zurückkommen. Einen Besuch nahm er sich auf jeden Fall vor.
    Nachdem Josh und Rose sich insgeheim besprochen hatten, überreichten sie Aba eine Literflasche, gefüllt mit ihrem Blut, nachdem sie sich in die Handgelenke geschnitten hatten. Damit sollte er seine Reise bewältigen können.
    »Ein Abschiedsgeschenk«, sagte Josh.
    Aba war zu bewegt, um antworten zu können. Er umarmte sie der Reihe nach, und sie entblößten voreinander die Hälse. Wortlos flog er nach Nordwesten. Dann waren es noch vier.
     
    Im Lauf der folgenden Tage ruhten Jasmine, Josh und Rose sich aus, fanden wieder zu sich und bestaunten die Neuheit dieser Welt, während Isis darin einfach spielte. Sie waren erfüllt von einer Mischung aus Staunen und Schrecken, die ihre Gefühle in große Wirrnis stürzte. Das Leben war wild, erhebend, beunruhigend; erheiternd, entsetzlich und grandios. All das – und auch ein wenig traurig.
    Sie waren überzeugt davon, sich nie daran gewöhnen zu können, dass die Sonne im Osten auf- und im Westen unterging. Das war einfach unnatürlich. Zu unirdisch. Was das übrige betraf – die bizarren neuen Wesen und Pflanzen, die Schöpfungen im Fiebergehirn des Mutantenkinds –, so nahmen sie das mit der Zeit gefasster auf. Manche Tiere wirkten freilich gefährlich, und man mied sie, andere waren zu albern, als dass man sich Gedanken darüber gemacht hätte.
    Einmal wanderte ein scheues, offenkundig harmloses, schwarz-weiß gefärbtes Tier mit glattem Fell, Hufen, vier Beinen, großen Augen und dicken Zitzen in die Nähe des Lagers und sagte: »Muh.«
    Josh ging darauf zu, aber es scheute. Er sprach damit, aber es antwortete nur in dieser seltsamen Ein-Wort-Sprache.
    »Ich habe so etwas noch nie gesehen«, sagte Josh. »Seht euch an, wie es kaut.«
    »Nennen wir es doch einfach Kauer«, sagte Rose.
    Und so begannen sie alle die bisher nicht vorhanden gewesenen Tiere zu benennen, die zufällig vorbeikamen. Den winzigen Vogel mit dem nadelspitzen Schnabel, dessen Zellophanflügel beim Schlagen schwirrten, nannte Josh Schwirrer. Das komische kleine Reptil mit der gelben Haut und der langen Nase nannte Rose Armer Till, woraus mit der Zeit Armadill wurde. Bei dem lächerlichen vierbeinigen, räudigen, braunen, plärrenden Pflanzenfresser mit zwei Buckeln auf dem Rücken sagte Jasmine: »Das braucht mal Kamm und Öl.« Sie lachten und nannten es Kamm-Öl, woraus viel später Kamel wurde.
    All das Fremde, all das Unbekannte. Es war wie eine Wiedergeburt von Zeit und Welt. Sie schwankten auf messerscharfem Grat zwischen tiefen Gefühlen: Trauer, Leid, Leere, im nächsten Augenblick Hoffnung und Staunen. Sie trauerten um Ollie und Beauty, sie freuten sich über die Vernichtung der Stadt ohne Namen. Sie planten Expeditionen, um nach ihren vermissten Lieben zu suchen, aber wenn es darum ging, diesen neuen Garten zu verlassen, erschlaffte ihre Willenskraft. Sie brachten es nicht fertig, sich aufzuraffen und zu gehen.
    Immer wieder ergab sich etwas, das die Rückkehr in das alte Land verhinderte. Eines der neuen, in Obhut genommenen Tiere erkrankte, Josh entdeckte in seiner
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