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Nessie und die Geister der MacLachlan

Nessie und die Geister der MacLachlan

Titel: Nessie und die Geister der MacLachlan
Autoren: Othmar Franz Lang
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auszusehen. „Man tut seine Pflicht, Mr. Punch, und oft auch noch mehr. Was soll’s, die Arbeit muß getan werden, und die Toten fragen nicht danach, ob es mir paßt oder nicht, daß sie verstorben sind.“
    Mac legte noch ein Scheit aufs Feuer, er war schließlich Psychologe. „Sie haben heute aber sicher Überstunden gemacht.“
    „Überstunden?“ Mr. Sloane stieß ein Lachen aus, das ihm nicht so recht gelang. „Überstunden sind etwas, wofür man bezahlt wird, Mr. Punch. Mich fragt keiner, wie lange arbeitest du und kommst du auch ohne Hilfskraft aus. Für die da oben ist’s ja nur ein Landfriedhof und kein städtischer. Da will keiner wissen, wie wir mit unserer Arbeit zurechtkommen. Moule zum Beispiel, unser Totengräber, der hat heute zwei Gräber ausheben müssen, nach diesem Regen! Und weiter unten haben wir Lehm, der Mann weiß, was Arbeit heißt. Ja, ja. Manche Leute sagen zwar, der hat ‘nen feinen Posten, Sterben ist eine Sache, die sich die Leute einfach nicht abgewöhnen können. Aber niemand macht sich klar, was für Arbeit dahintersteckt, sie alle fein säuberlich unter die Erde zu bringen, mit dem Geistlichen, den sie sich wünschen, und all den Vereinen, denen sie angehört haben. Das kann nicht jeder.“
    „Das, was Sie da sagen, ist äußerst interessant, Mr. Sloane. Man macht sich als Außenstehender gar keinen rechten Begriff davon. Wie wär’s, wenn wir auf ein, zwei Bier beim ,Unicorn’ hineinschauten?“
    Bevor Mr. Sloane sagen konnte, daß sich solchen Luxus ein Friedhofsverwalter von Wokingham nicht leisten könne, fiel Mac Punch ein zu sagen: „Sie sind natürlich eingeladen, Mr. Sloane. Ich wollte immer schon gern mal mit Ihnen reden, weil Ihr Beruf ja einen weiten Horizont ergibt, was das Menschliche anlangt. Sie verstehen schon, was ich meine
    „Da könnte ich Ihnen Bände erzählen“, bestätigte Sloane. „Über Witwen zum Beispiel. Bei manchen, da meinen Sie, sie müßten sie halten, weil sie sonst in die Grube nachspringen, und kaum ein Jahr später sind sie frisch verheiratet oder erwarten sogar schon ein Kind. Ja, ja, mir kommt so manches unter, Sir.“
    Sie standen nun am Tresen vom „Unicorn“, und Mac hatte zwei Guinness bestellt. Er schob das eine Glas zu Sloane hin, hob das seine und sagte: „Gesundheit vor allem. Übrigens, ich heiße Mac.“

    „Oh“, Mr. Sloanes Gesicht lief vor Freude rot an, „und ich Christopher. Tja, einmal, da hatten wir einen Witwer, den mußte ich stützen, sonst wäre er am Grab zusammengebrochen, und es goß damals in Strömen und die lieben Trauergäste standen alle in gelben Lehmpfützen, und was soll ich Ihnen sagen, Mac, zwei Wochen später wird der Mann verhaftet, weil er seiner Frau Gift in den Porridge getan hatte. War voll geständig, und als sie ihn zu lebenslänglich verdonnerten, sagte er, er nähme die Strafe dankend an, nach der Hölle, die er bei seiner Frau gehabt hatte, käme ihm das Gefängnis wie der Himmel vor.“
    „Ja“, sagte Mac, „Sie gewinnen tiefe Einblicke, Christopher, was das Menschliche anlangt.“
    „Und wie, Mac.“
    „Aber das ist Ihnen nur gegeben, weil Sie...“ Mac tat, als würde er Sloane genauer betrachten, „...ich sehe, ich spüre das förmlich, Sie haben als Kind viel entbehren müssen. Kommen wohl aus einer kinderreichen Familie, wie?“
    „Wir waren zwölf, Mac. Zwölf, die am Leben geblieben sind. Manchmal mußten zwei Heringe für vierzehn Personen reichen. Genau gesagt, eineinhalb Heringe für dreizehn, denn daß mein Vater einen ganzen halben bekam, war natürlich klar.“
    Mac nickte stumm. „Aber da ist noch etwas, Christopher, ich merk das an einem Zug um den Mund, ein Zug übrigens, den auch Cedric hat.“
    „Sieht mir der Knabe so ähnlich?“
    „Viel mehr, als Sie denken. Wenn ich mir Cedrics fein geschnittenes Gesicht so betrachte, habe ich das Gefühl, der Junge trägt eine Traurigkeit mit sich herum. Ich glaube, er wünscht sich eine Schwester. Und Sie, geben Sie’s zu, Christopher, Sie hätten auch gern eine Schwester gehabt.“
    Sloane seufzte. „Und das sehen Sie aus einem Zug um den Mund, Mac?“
    „Es ist die Erfahrung, Christopher. Das Gesicht eines Menschen ist wie seine Handschrift.“
    Sloane ging zu dem erblindeten Reklamespiegel halb hinter dem Tresen und guckte hinein, um den Zug um den Mund, dem er nie die geringste Beachtung geschenkt hatte, eingehend zu studieren. Ja, ja, wenn er sich so betrachtete, dann war sein Gesicht kein
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