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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Autoren: Ralf Isau
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führten sie sich auf wie toll. Sie brüllten die schlimmsten Flüche, tobten herum, zerschlugen ein paar Deckaufbauten und steckten nebenbei einige wertlose Gegenstände ein. Ich fürchtete schon, als Nächstes würden sie uns allen die Hälse durchschneiden, aber daran dachten sie gar nicht. Wie es aussah, wollten sie nur randalieren. Nur ein Einziger – etwa so alt wie ich – war auf ihrem Schiff zurückgeblieben. Er stand an der Reling und schaute zu uns herüber. Es sah so aus, als täte ihm Leid, was seine Leute da auf unserer Weltwind anstellten. Aber das war natürlich Unsinn. Wahrscheinlich wurmte es ihn nur sich nicht an dem Entergang beteiligen zu dürfen. Auf alle Fälle verschwanden die Piraten kurz darauf wieder im Nebel, genauso plötzlich, wie sie gekommen waren.«
    »Da warst du sicher froh, nicht wahr?«
    »Nein. Unter den vielen ›wertlosen‹ Dingen, die sie mitgenommen hatten, befand sich etwas, das für mich – für mich ganz allein! – ungeheuer kostbar war.«
    »Ich verstehe, was du meinst. Es hatte für dich einen hohen ideellen Wert.« Yonathan konnte mit Yomi mitfühlen. Unbewusst wanderte seine Hand zur Flöte an seiner Brust. Nach einiger Zeit konnte er seine Neugierde nicht mehr zurückhalten. »Was haben sie dir denn gestohlen?«
    Yomi lächelte, fast entschuldigend. »Den Milchkrug.«
    »Welcher…? Etwa der Krug, den dir deine Mutter gab, als sie dich in dem Loch in eurem Stall versteckte?«
    »Genau der. Für diese verrückten Piraten war er sicher nichts wert. Aber mir bedeutete er sehr viel! Er war das letzte Erinnerungsstück an meine Eltern.«
    Yonathan schaute auf den Stab in seiner Rechten. Er musste an die Erinnerung denken, Haschevets Gabe des vollkommenen Gedächtnisses. »Ich kann mir vorstellen, was das für dich bedeutet hat«, sagte er und wünschte, mehr für seinen Freund tun zu können.
    Statt einer Antwort warf sich Yomi plötzlich und ohne vorherige Ankündigung zu Boden. »Pst!«, zischte er. »Duck dich! Schnell!«
    Yonathan, dem das Ganze ein wenig befremdlich erschien, kam der Aufforderung nur zögernd nach. »Was ist denn los?«, fragte er, während seine Augen die Gegend absuchten.
    »Da drüben, dicht beim Strand.«
    In Gedanken verlängerte Yonathan die Linie von Yomis ausgestrecktem Arm. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich sehe nur das Wrack eines gestrandeten Seglers.«
    »Eben«, entgegnete Yomi. »Fällt dir an dem Schiff nichts auf?«
    Yonathan gab sich alle Mühe: Ein gestrandetes Schiff ist nichts Besonderes in einer Gegend, in der Freibeuter ihr Unwesen treiben. Er hatte schon oft davon gehört, dass es an dieser Küste Piratendörfer gab, die ausschließlich vom »Schifffang« lebten. Ihre Beutezüge folgten alle dem gleichen Muster: In stürmischen Nächten entzündeten sie Irrlichter und lockten damit die ahnungslosen Segler auf Sandbänke oder Felsenriffe. War eine Beute erst einmal gesichert, wurden zunächst die Zeugen beseitigt und gleich darauf die Ladung. Die Schiffe überließ man den Naturgewalten, bis nur noch bleiche Gerippe übrig blieben oder nicht einmal das.
    Das war’s! Jetzt bemerkte Yonathan, was Yomi meinte. Das Schiff ragte halb hinter einem Hügel hervor. Nur sein Bug bis hin zu dem schräg nach vorn verlaufenden Spriet war zu sehen. Es lag im Sand, als schwömme es im Wasser. Für ein gestrandetes, sich selbst überlassenes, verrottendes Schiff sah es jedoch bemerkenswert intakt, ja beinahe seetüchtig aus.
    »Es scheint noch sehr gut erhalten zu sein«, sagte Yonathan. »So wie es daliegt, könnte man glauben, jemand hätte es dorthin gezogen und schön gerade in den Sand eingegraben, damit es auch ja nicht umkippen kann.«
    »Und warum könnte jemand so etwas tun?«
    Yonathans Augen leuchteten und gleichzeitig spürte er das bekannte Kribbeln auf der Kopfhaut. »Glaubst du etwa, dass das ein Unterschlupf ist, eine Hütte… ein Piratennest?«
    »Genau das denke ich.«
    »Und was sollen wir jetzt tun? Einfach hingehen und allen Frieden wünschen oder uns so schnell wie möglich davonschleichen?«
    »Ich bin mir selbst nicht ganz sicher. Es könnten Strandpiraten sein und die sehen es ziemlich ungern, wenn ein Fremder von ihrem Versteck erfährt.«
    »Also versuchen wir unbemerkt um das Schiff herumzuschleichen.«
    »Das wäre aber sehr unhöflich, wo die netten Piraten doch so gastfreundlich sind!«, ließ sich eine raue Stimme in ihrem Rücken vernehmen.
    Yonathan und Yomi fuhren gleichzeitig herum. Hinter ihnen, nur
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