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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Autoren: Ralf Isau
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etwa sechs Schritte weit entfernt, stand ein untersetzter Mann mit schwarzem, verfilztem Bart, schütterem Haupthaar und breit grinsender Visage. Wo Yomi den Vorteil eigener Erfahrungen genoss, konnte Yonathan nur auf Jahrmarktsgeschichten zurückgreifen. Dennoch kamen beide zu demselben Schluss: ein Pirat!
    Hinter dem Anführer mit der rauen Stimme drückten sich noch drei weitere Gestalten herum. Ihr Auftreten war zwar schweigsamer, aber nicht beruhigender. Jeder von ihnen hielt einen krummen, schartigen, aber bedrohlich aussehenden Säbel in der Hand.
    Selbst Gurgi spürte die angespannte Stimmung und vergrub sich tief in Yonathans Hemdfalten. Yonathan und Yomi durchblitzte derselbe Gedanke. Gleichzeitig wirbelten sie herum – und erstarrten sogleich wieder. Von überall her tauchten plötzlich neue Säbelträger auf. Sie schossen aus Erdsenken hervor, wuchsen aus Büschen und Bäumen oder entfalteten sich sonst woher. Und keiner von ihnen sah Vertrauen erweckender aus als der Anführer mit dem Haarwuchsproblem.
    Der hatte inzwischen aufgehört zu grinsen und musterte Yomi mit einem misstrauisch-forschenden Blick. »Was ist mit deinem Gesicht los? Hast du dich angemalt, um damit deine Feinde zu erschrecken, oder bist du krank? Sprich!«
    Yonathan hielt den Atem an. Der bärtige Pirat hatte auf Anhieb Yomis wundesten Punkt gefunden. Die Verfärbung, die noch von ihrer Begegnung mit dem Baum Zephon stammte, wollte nur sehr zögerlich abnehmen. Yomi reagierte in letzter Zeit immer gereizter, wenn man ihn darauf ansprach.
    Mit Sorge beobachtete Yonathan seinen Freund. Yomis Kiefer mahlten und seine Augen funkelten bedrohlich. Jetzt ein unüberlegtes Wort und der ganze Piratenhaufen würde mit seinen schartigen Säbeln über sie herfallen!
    »Eher Letzteres«, brach Yonathan deshalb das gefährliche Schweigen. »Es ist so eine Art Krankheit.«
    In den Mienen der Piraten zeigten sich Ekel und Furcht. »Ist es etwa ansteckend?«, fragte der Anführer besorgt und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück.
    »Wer kann das wissen?«, orakelte Yonathan.
    Inzwischen hatte sich Yomi wieder im Griff. Er wandte sich dem gestrandeten Schiff zu, beschirmte die Augen mit der Hand und meinte nach einer Weile: »Ziemlich erstaunlich, dass die alle in einem Schiff zusammenwohnen, ohne sich ständig zu streiten.«
    Es gelang ihm jedoch nicht, durch seine zwanglose Art die Atmosphäre zu entspannen. Yonathans Andeutungen hatten für eine feindselige Distanz gesorgt; niemand verspürte Lust sich eine entstellende Krankheit zuzuziehen.
    »Los, da lang!«, grunzte der Schwarzbart.
    Yomi zuckte die Achseln. »Tun wir lieber, was er sagt«, wandte er sich an Yonathan. »Vielleicht ist es ja ein gutes Zeichen, dass sie uns nicht gleich hier umbringen.«
    Yonathan konnte wenig Trost in diesen Worten finden. Er ärgerte sich vielmehr über seine eigene Dummheit. Schließlich war da doch dieses wohl bekannte Prickeln gewesen, als Yomi ihn auf das gestrandete Schiff aufmerksam machte. Der Stab Haschevet hatte ihn doch nicht zum ersten Mal auf diese Weise gewarnt, wenn Gefahr in Verzug war.
    Ein harter Stoß in den Rücken trieb ihn vorwärts; fast nahm ihn Yonathan mit Dankbarkeit auf, als gerechte Strafe für seine Unachtsamkeit.
    Inzwischen waren sie so lückenlos umringt, dass allein der Gedanke an Flucht lächerlich erschien. Trotzdem ließen die Piraten genügend Spielraum, um einen direkten Kontakt mit dem Träger der seltsamen Hautkrankheit zu vermeiden. Tatsächlich glaubte Yonathan, hinter den entschlossenen Mienen auch so etwas wie Furcht, Misstrauen und Neugier auszumachen. Nicht wenige Blicke ruhten gierig auf dem goldenen Knauf Haschevets – ein Umstand, der Yonathan wenig gefiel.
    Während sich die Schar aus etwa dreißig Piraten und zwei Gefangenen dem Fuß des Hügels näherte, hinter dem das Schiff im Sand lag, nutzte Yonathan die Zeit seine Gastgeber etwas eingehender zu mustern.
    Dieser Haufen unterschied sich gründlich von demjenigen Sethurs, dem er und Yomi vor über einem Monat in die Hände gefallen waren. Der Heeroberste Bar-Hazzats besaß eine Truppe, die diszipliniert, gut ausgerüstet und erst zuletzt wild und blutrünstig war. Bei diesen Männern hier schienen die »Qualitäten« eher umgekehrt verteilt zu sein. Sie waren einfach eine wilde Bande von Halsabschneidern. Sie trugen weite Woll-oder Leinenhosen und Riemensandalen, manche (vermutlich die im Stehlen etwas erfolgreicheren) sogar Lederstiefel, schmutzige
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