Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Möglichkeit geben. Es heißt, hier am Südkamm gäbe es etliche Piratennester.«
    »Piraten? Stimmt. Ich habe davon gehört.« Yonathan gefiel dieser Gedanke nicht. »Glaubst du denn, es ist eine gute Idee sich Dieben und Strolchen anzuvertrauen?«
    »Eine ›gute Idee‹? Nein, bestimmt nicht! Aber weißt du eine bessere? Wir haben den Monat Bul. In einer selbst gebauten Nussschale werden wir zu dieser Jahreszeit kaum bis nach Cedanor kommen.«
    Yonathan grübelte schweigend. Ihm gefiel keine der genannten Möglichkeiten.
     
     
Friedhof der Schiffe
     
    Das Wetter am nächsten Morgen war nicht mehr so böiger Wind trieb die Wasser des cedanischen Golfes vor sich her wie ein Rudel hungriger Wölfe eine Herde Schafe. Das Blau des Himmels war mit grauweißen Wolken gespickt.
    Yonathan hatte nicht besonders gut geschlafen. Immer wieder war das Bild Sethurs vor seinem geistigen Auge aufgetaucht: wie er in der wabernden Masse aus schmelzendem Eis versank, wie er zornig seinen Fluch herausschrie und wie seine Augen trotzdem das Entsetzen vor dem nahen Tod nicht verbergen konnten… Wie auch immer, Sethur war ein Knecht des Bösen gewesen. Aber war er nicht auch ein Mensch? Hatte die Liebe zum Guten nicht versagt, wenn sie zu solchen Mitteln greifen musste?
    Die frische Brise vom Meer besaß eine reinigende Kraft. Mit jeder Meile, die unter Yonathans Füßen dahinschmolz, wehte sie die düsteren Gedanken aus seinem Kopf und seine Stimmung stieg. Im Laufe des Vormittags erreichten sie den schmalen Küstenstreifen. Der Bach, dem sie die ganze Zeit über gefolgt waren, setzte seinen Lauf jedoch zunächst in östlicher Richtung fort; die beiden Wanderer beschlossen dem launischen Weggefährten noch eine Weile Gesellschaft zu leisten.
    Die Landschaft hier, an der nördlichen Küste des Golfs, unterschied sich in vielerlei Hinsicht von derjenigen Kitvars. Dort fielen schroffe Felsklippen steil ins Wasser des Nordmeeres, hier gab es einen schmalen Küstenstreifen mit Stränden, die sanft ins Meer glitten. Zu Hause sorgte der beständige Westwind für einen immer währenden Wechsel aus Regen und Sonne; das Land war grün, die Böden schwarz und schwer. Hier dagegen mussten die Sommer lang und heiß sein: Überall sah man braune, verdorrte Pflanzen. Pinien gruben ihre Wurzeln in den hellen, sandigen Boden. Mit ihren hohen, kahlen Stämmen und den schirmförmigen Kronen prägten sie das Bild einer Landschaft, die so gut wie unbewohnt war.
    Die Menschen scheuten die Nähe des Verborgenen Landes, dessen Bewohner einst durch Yehwohs Fluch vertrieben worden waren. Jahrhunderte hatten das Ihrige getan; gleich einer Spinne hatten sie das Gebiet jenseits des Südkamms in ein dichtes Netz aus Legenden eingesponnen. Einige glaubten fliegende Ungeheuer würden den Südkamm nachts überqueren, auf der Suche nach Beute: Vieh oder gar Menschen. Andere, die etwas zu verbergen hatten, überwandenihre Ängste und suchten gerade dort Unterschlupf, wo sie glaubten vor ihren Verfolgern sicher zu sein.
    »Vor zwei Jahren sind wir mal von einem Piratenschiff aufgebracht worden«, bemerkte Yomi beiläufig. Die beiden Freunde waren eine ganze Zeit schweigend nebeneinanderher gegangen.
    Yonathan schaute zu seinem größeren Gefährten hinauf und erwiderte: »Ich denke, Piraten bringen alle um, die sie auf ihren Raubzügen in die Hände kriegen.«
    »Nicht alle sind so«, schränkte Yomi ein. »Aber es war trotzdem ziemlich schlimm. Eigentlich hätten sie sehen müssen, dass bei uns nichts zu holen war – die Piraten meine ich. Die Weltwind hatte keinen Tiefgang. Unsere ganze Ladung war in Meresin gelöscht worden. Kaldeks Geschäftspartner hatte ihn im Stich gelassen. Deshalb mussten wir leer wieder nach Cedanor zurücksegeln.«
    »Und dann seid ihr überfallen worden? Ich dachte immer, die Piraten halten sich aus diesen Gewässern fern, weil dort die Kaiserliche Marine patrouilliert.«
    »Das dachte Kaldek auch. Aber der vorangegangene Winter war ziemlich stürmisch gewesen, schlecht, um Beute zu machen. Ihr Hunger war größer als ihre Vorsicht und so wagten sie sich im Schutze des Nebels bis in die Gewässer vor Meresin. Jedenfalls tauchten sie ziemlich unerwartet vor uns auf.«
    »Hast du nicht Angst um dein Leben gehabt?«
    »Und ob! Aber irgendwie war ich auch… gefesselt von diesen merkwürdigen Männern. Ja, das waren sie: ungeheuer merkwürdig. Als sie unseren Laderaum untersucht und außer einigen Rationen Trockenfisch nichts gefunden hatten,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher