Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
laute Donnern des Gebirgsbaches bemerkte, der unter dem Eis hervorbrach. Dabei hob sich der von hellem Geröll gesäumte Wasserlauf deutlich von dem dunkleren Gras- und Moosbewuchs ab. Ganz in der Nähe brach er unter dem Eis hervor und nur etwa einen Bogenschuss weiter verlor er sich wieder in der Dunkelheit.
    »Ich glaube, viel weiter werden wir heute nicht kommen«, brummte Yomi. »Bei dieser Dunkelheit ist es unheimlich schwer zu sehen, wohin man tritt.«
    »Na wenigstens sind wir vom Eis. Hier ist es nicht mehr ganz so kalt wie da oben«, murmelte Yonathan, ohne das Bachbett aus den Augen zu lassen. »Mir scheint, da vorne geht’s sowieso sehr steil bergab. Es hört sich jedenfalls so an, als würde der Bach dort ziemlich weit in die Tiefe stürzen.« Er deutete nach vorn, wo der Wasserlauf ihren Blicken entschwand. »Wir sollten Yehwoh danken, dass wir heil bis hierher gekommen sind. Die Kletterei, die da vor uns liegt, nehmen wir uns lieber für morgen früh vor, wenn es wieder hell ist.«
    Yomi nickte.
    Vorsichtigen Schrittes überquerten die beiden Freunde Geröll, Grasflecken und glitschige Felsplatten, bis schließlich eine steile Wand dicht vor ihnen aufragte. Irgendwo in der Nähe fing sich heulend der Wind wie in einem Kamin. Das kraftvoll vorwärts drängende Wildwasser stürzte knapp außerhalb ihrer Sichtweite in eine dunkle Klamm. Dort traf es auf einen Luftstrom, der es wütend packte und wie ein Fischernetz über die beiden einsamen Wanderer schleuderte.
    »Ein ziemlich ungemütliches Plätzchen hier«, meinte Yomi und zog seinen Umhang enger. »Und der Bach gefällt mir auch nicht. Er ist so unheimlich… Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.«
    Yonathan deutete auf einen schwarzen Spalt, der sich von den weniger dunklen Felswänden abhob. »Schau, da! Das könnte etwas für unser Nachtlager sein.« Ohne zu zögern, machte er sich auf den Weg.
    »Ich weiß nicht…« Yomi folgte nur widerwillig.
    »Hast du eine bessere Idee?«
    »Nein.«
    Der Lagerplatz war gar nicht so übel, wenn auch nicht so bequem wie jene Höhlen, die Din-Mikkith immer wieder mit findigem Blick entdeckt hatte. Zumindest ließ dieser Felsspalt kaum Wind eindringen und der moosige Untergrund war sogar einigermaßen trocken.
    Kein Wunder also, dass die beiden am nächsten Morgen erst erwachten, als die Sonne schon mehr als zwei Handspannen über dem Horizont stand. Und sie hätten vermutlich noch länger geschlafen, wenn da nicht diese auffallende Stille gewesen wäre.
    Yomi setzte sich auf und lauschte. Tatsächlich, irgendetwas fehlte! Diese Ruhe war so unangenehm, so fremdartig, dass er misstrauisch wurde. Er sprang auf die Beine und eilte zur Mündung der Felsspalte, um nachzuschauen, was da nicht stimmte.
    Mit hängendem Kopf kehrte er zum Schlafplatz zurück und ließ sich kraftlos niedersinken. Er fühlte sich schlecht. Jeder Knochen im Leibe tat ihm weh. Seine Nase lief – er hatte sich eine Erkältung eingefangen. Das Nachtlager war zwar windgeschützt und einigermaßen trocken, aber die Kälte hatte es wohl doch nicht gänzlich fern halten können. Yomis Stimmung sank. Er warf einen Blick auf den schlafenden Freund: Yonathan schlummerte – lächelnd! – wie ein sattes Baby.
    »Fällt dir nichts auf?«, fragte Yomi, nachdem er Yonathan geweckt hatte. »Hör doch mal!«
    »Nein. Was soll ich denn hören?«, erwiderte Yonathan, der aus den Augenwinkeln eine leise Bewegung wahrnahm.
    Gurgi blinzelte aus dem leeren Köcher, der Yonathan eigentlich als Transportbehältnis für den Stab Haschevet diente. Der Masch-Masch hatte den Wert des röhrenförmigen Futterals für seine eigenen Zwecke entdeckt: als Schlafhöhle. Gurgi plumpste rücklings vom Köcher, kugelte über die moosbedeckte Erde, hockte sich schließlich auf die Hinterbeine und schloss sich dem angestrengten Lauschen der beiden Freunde an.
    Yomi versuchte unterdessen, Yonathan seine Beobachtungen mitzuteilen. »Hörst du nicht dieses Geräusch… oder besser, das Nicht-Geräusch? Es ist einfach unheimlich still!«
    Yonathan lauschte. »Der Wasserfall!«, rief er plötzlich.
    »Genau. Er ist weg!«
    »Er ist weg? Aber wie…?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht hat ihn jemand in der Nacht geklaut, als wir schliefen. Mir hat dieser Bach von Anfang an nicht gefallen.«
    Yonathan runzelte die Stirn, rappelte sich auf und ging zum Eingang des Felseinschnitts. Die Hände auf den Stab Haschevet gestützt, nahm er die Hochebene in Augenschein – und staunte. Der gestern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher