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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok
Autoren: Ralf Isau
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Jabboks zu kümmern – eines wichtigen Wohltäters des kleinen Knabeninternats von Loanhead. Samuel war diese Arbeit keineswegs lästig. Aufopferungsvoll kümmerte er sich um den Knaben und im Laufe der Zeit entwickelte er eine tiefe Zuneigung zu dem Kind. Und es tat ihm oft weh, dass er seine Gefühle der Zuneigung nicht so offen zeigen konnte, wie er dies gerne täte
    – immerhin gehörte der Junge dem Adel an. Der strenge Internatsleiter, Sir Malmek, achtete peinlich auf die Einhaltung standesgerechter Umgangsformen.
    So hatte sich ein seltsames Verhältnis zwischen den Schülern und dem Hausdiener entwickelt. Samuel behandelte die oft lärmende Knabenschar wie hohe Herrschaften, mit all dem Respekt, den die Etikette forderte. Und die Jungen schätzten den alten Mann als schweigsamen Vertrauten und verrieten ihm ihre haarsträubendsten Streiche. Und wenn sie es einmal gar zu bunt trieben, hörten sie sogar auf seine Ermahnungen, was Sir Malmek nicht selten neidvolle Bewunderung abrang. Insgeheim, versteht sich. »Denkt an euren Stand!«, war seine offizielle Devise, die er stets verkündete, wenn er die Knaben wieder mal beim Tuscheln mit dem Diener erwischt hatte.
    Die täglichen Hilfeleistungen Samuels brachten für Jonathan glücklicherweise viele Gelegenheiten, der Aufsicht Sir Malmeks zu entkommen. In diesen Freiräumen war ein enges Verhältnis entstanden, eine Freundschaft, die keine Geheimnisse kannte. Schon bald wusste der weise Hausdiener mehr über das bewegte Innenleben seines jungen Schützlings als jeder andere – mit Ausnahme des alten Lord Jabbok vielleicht.
    Jonathans Vorfahren stammten ursprünglich aus dem Heiligen Land. So nannte man die Gegend um Jerusalem, die in ferner Vergangenheit von zahlreichen Kreuzfahrern heimgesucht worden war. Zu dieser Zeit kämpften die Jabboks an der Seite eines schottischen Truppenführers in der Armee von Richard Löwenherz. Als der Kreuzzug vorüber war, begleiteten sie die überlebenden Recken in ihre Heimat. Im wilden Hochland Schottlands empfingen sie aus der Hand des Lehnsherren, dem sie so treu gedient hatten, ein kleines Stück Land, auf dem sie fortan Schafe züchteten. Jahrhunderte später hatte ein anderer Jabbok der Königin Anna Stuart einen wertvollen Dienst erwiesen, wofür er in den Adelsstand erhoben und mit umfangreichen Ländereien in den schottischen Highlands belohnt wurde. Die Jabboks dienten auch weiterhin der englischen Krone, was ihnen über Generationen hinweg Feindschaft eintrug, da viele der alten Clans die englische Oberherrschaft nicht hinnehmen wollten.
    Die Jabboks waren stolz auf das Familienwappen. Es war mit Mut und Treue gegenüber der Krone erkauft worden, mit dem eigenen Blut.
    Dann aber kam es zu verhängnisvollen Ereignissen, die nicht nur das Denken des alten Lord Jabbok, sondern auch das Leben Jonathans nachhaltig beeinflussen sollten. Alles begann, als der gegenwärtige Führer des Jabbok-Clans von seinem Sohn Jacob erfuhr, dass dieser Jennifer Leftshore heiraten wolle. »Die Tochter eines Fischers ist keine standesgemäße Partie für einen Jabbok!«, urteilte der Lord über die angehende Schwiegertochter.
    Jacob bestand auf seiner Heirat, woraufhin sein Vater ihn kurzerhand vom Familiensitz jagte.
    Daraufhin zog Jacob Jabbok in das Fischerdorf Portuairk, dem Heimatort seiner Ehefrau, und lebte fortan vom Fischfang. Obwohl die Netze, die er gemeinsam mit dem Schwiegervater Morton Leftshore einholte, oftmals kaum genug enthielten, um davon satt zu werden, bereute er seine Entscheidung niemals. Er liebte seine Frau und diese Liebe wog mehr als alle Reichtümer der Welt.
    Das junge Paar erlebte drei glückliche Jahre. Dann wurde der kleine Jonathan geboren und seinen Vater traf der grausamste Schlag: Die Mutter starb nur zwei Stunden nach der Geburt.
    Obwohl Jacob Jabbok diesen Preis für seinen Sohn bezahlen musste, liebte er das schreiende Bündel. Der kleine Jonathan war das wertvollste Andenken, das ihm die geliebte Frau hinterlassen konnte. Eigentlich sollte man diese Zuneigung von jedem Vater erwarten, aber Jonathan zweifelte nie daran, dass die Liebe seines Vaters etwas Besonderes war, ein wertvolles Geschenk, das ihm niemand stehlen konnte, weil er es in seinem Herzen trug.
    Neben dem Vater sorgten auch Großvater und Großmutter, die Schwiegereltern seines Vaters, für die Geborgenheit, die ein Kind braucht. Von ihnen erfuhr Jonathan viel über seine Mutter. Manchmal glaubte er sie genauer zu kennen als die
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