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Nervenflattern

Nervenflattern

Titel: Nervenflattern
Autoren: M Gibert
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ambivalenten Gefühlen ins Bett. Da war Marias SMS, die ihn erfreute und glücklich machte, und da war der Schuss, den er auf Simone Tauner abgefeuert und der sie getötet hatte. Lenz hatte während der ganzen Jahre als Polizist sehr selten zu seiner Dienstwaffe greifen müssen, und abgefeuert hatte er sie bis zu diesem Tag nur auf dem Schießstand, wenn er die vorgeschriebenen Schüsse im Jahr nachweisen musste. Zu Beginn seiner Laufbahn als Kommissar hatte er öfter davon geträumt, einen Flüchtenden zu erschießen. Nun war dieser Albtraum Realität geworden und es war ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte.
    Nach 11 Stunden Schlaf, ohne ein einziges Mal aufzuwachen, fühlte er sich frisch und erholt.
     

40
    »Das war verdammt knapp«, stellte Maria erleichtert fest, nachdem Lenz ihr im Detail von den Ereignissen des vergangenen Nachmittags erzählt hatte. Sie lag mit dem Kopf auf seinen Beinen, hielt seine Hand und streichelte seinen Arm. Eine Stunde zuvor hatten sie sich in der Praxis seines Freundes in Fritzlar getroffen und seitdem nur geredet.
    Er strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
    »Über eine Sache habe ich bis jetzt noch mit niemandem gesprochen, weil ich bis heute Morgen nicht wusste, wie ich damit umgehen soll.«
    Neugierig hob sie den Kopf.
    »Und was?«
    »Die Tauner hat mir erzählt, dass sie noch eine große Menge von dem Zeug an verschiedenen Punkten in Kassel deponiert hätte. Sie wollte es freisetzen, falls die Documenta nicht abgesagt worden wäre.«
    »Und du glaubst ihr das nicht?«
    Er ließ sich mit seiner Antwort viel Zeit.
    »Nein. Deshalb habe ich mich entschlossen, es für mich zu behalten. Du bist die Erste, mit der ich darüber spreche.«
    »Und wenn es doch wahr ist?«
    Wieder antwortete er nicht sofort.
    »Frag mich nicht, warum, aber ich glaube, sie hat gelogen. Ich habe ihr in die Augen gesehen, bevor ich geschossen habe, und seitdem bin ich davon überzeugt, dass sie es nicht ernst gemeint hat. Und die Tatsache, dass sie kein Nervengift mit sich herumgeschleppt hat, bestätigt meine Überzeugung.«
    Maria setzte sich auf die Knie und sah ihm in die Augen.
    »Und wenn du dich irrst?«
    Er kratzte sich am Kinn, nahm ihre Hand und küsste sie.
    »Daran will ich lieber nicht denken, aber ich bin ganz sicher. Wenn jetzt hunderte oder tausende Polizisten und Soldaten durch die Stadt ziehen und nach dem Nervengift suchen, kann man das nicht geheim halten. Dabei ist es egal, ob wir etwas finden oder nicht, es wäre auf jeden Fall das Ende der Documenta.«
    »Wieso?«
    »Wenn es einen Fund gibt, ist nie auszuschließen, dass weitere Ladungen übersehen wurden. Und wenn es keinen gibt, glauben bestimmt viele Menschen, dass es etwas gibt, was aber nicht entdeckt wurde. Niemand kann den Besuchern der Documenta die Sicherheit geben, dass nichts passiert, deshalb wird sie nicht stattfinden.«
    Maria überlegte einen Moment.
    »Da hast du garantiert recht, aber willst du die Entscheidung nicht besser anderen überlassen? Ist das nicht eine Verantwortung, die dich überfordert?«
    »Ich habe lange darüber nachgedacht, und bin zu dieser Entscheidung gekommen. Wir hatten heute Morgen die letzte Sitzung der Sonderkommission, da wurde der Fall noch einmal von Anfang bis Ende durchgekaut. Natürlich wurde auch die Frage aufgeworfen, ob es irgendwo weitere dieser Binärdinger geben könnte, aber alle Beteiligten waren sich einig, dass sie nicht vorhatte, die Bewohner von Kassel zu gefährden. Sonst wären die Röhrchen, die sie am Körper getragen hat, und die, mit denen sie um sich geworfen hat, nicht mit Nagellackentferner gefüllt gewesen.«
    »Nagellackentferner?«
    Er nickte.
    »Handelsüblicher Nagellackentferner.«
    »Ganz schön krank, die Frau«, sinnierte Maria.
    »Das meinte die Psychologin auch.«
    »Und du bist ganz sicher, dass du es so machen willst? Dass du niemandem etwas von ihrer Drohung erzählen magst?«
    Er drehte sich um und legte seinen Kopf auf ihre Beine.
    »Na, du weißt es doch schon.«
    »Aber ich zähle nicht.«
    »Das sehe ich ganz anders. Trotzdem werde ich alles, was sie mir über die ›großen Brüder‹ sagte, für mich behalten. Und es wird nicht schiefgehen, vertrau mir.«
    »Aber es gibt ja noch die zwei anderen Morde. Glaubst du ihr, dass sie damit nichts zu tun hatte?«
    »Hm. Die Ermittler aus Wiesbaden sind fest davon überzeugt, dass sie es gewesen ist. Wir haben in der Wohnung der Hainmüllers DNA-Spuren gefunden, die wir ihr aber noch
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