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Nero

Nero

Titel: Nero
Autoren: Ernst Eckstein
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dich.«
    Beim Klang dieser Stimme ergreift es den Unglücklichen wie unendliches Weh. Er birgt sein Antlitz an ihrer Brust; er umschlingt sie mit beiden Armen und bricht, laut aufschluchzend, in einen Strom glühender Thränen aus.
    »Acte, Acte!« ruft er mit einer Stimme, die ihr das Herz fast in Stücke zerreißt. Dann schluchzt er weiter, bis sein Haupt herniedergleitet zu ihren Knieen. Liebkosend streicht sie ihm über das wellige Haar. Er ist eingeschlafen, – eingeschlafen auf der Flucht vor dem Aufstand, der ihm Tod und Verderben sinnt.
    Sie betrachtet sein mondbestrahltes Gesicht, das so bleich erscheint, so geisterhaft, wie das eines Toten. An den Wimpern glänzt noch die letzte Thräne. Sein Mund, ach, der süßberedte, liebeglühende Mund von einst, hat sich leise geöffnet. Ein flüchtiges Lächeln huscht darüber hinweg, ganz unmerklich, aber so zauberisch verklärend . . .
    »Ich weiß nur eins: daß ich dich liebe!« flüstert sie, das Wort wiederholend, das sie im Goldenen Hause ihm zugerufen. »Jetzt, da du elend bist und allein, jetzt darf ich's! Niemand, und Gott der Allmächtige selbst nicht, kann mich darob verdammen. Ja, ich liebe dich, trotz allem, was du gesündigt hast. ›Die Liebe ist mächtiger als der Tod!‹ sagt der Apostel. Aber noch mehr: sie ist auch mächtiger als die Schmach und die Missethat.«
    Sie beugt sich nieder und drückt ihm einen leisen Kuß auf die Stirn. Und abermals gleitet ihm ein Lächeln über den Mund, so mild und friedlich, als sei die wüste, blutbeträufte Vergangenheit ausgelöscht und nur das sehnsuchtsglühende Jünglingsherz zurückgeblieben mit seinen Träumen von einst.
    Nun stützte sie, von einer sonderbaren Empfindung bewegt, den Kopf in die Hand. Sie entsann sich plötzlich der Worte, die sie dem grollenden Pallas entgegengerufen in jener entsetzlichen Nacht, da der Vertraute der Agrippina sie wegschleppte. Jede Silbe war ihr noch gegenwärtig. ›Die Strafe des allmächtigen Gottes soll mich entsühnen . . .‹ Und dann: ›Meine Lippen werden ihm noch zärtlich die Stirne küssen, wenn die arme Octavia längst von hinnen gegangen ist, und Agrippina, und du, ihr schnödes, erbärmliches Werkzeug! Eine untrügliche Ahnung sagt mir's voraus!‹ – War diese Ahnung jetzt in Erfüllung gegangen? Sie meinte: ganz und erschöpfend, so daß es nun aus wäre . . . gleich für immer? Wie? Oder gab es noch eine Zukunft . . .?
    »Jesus, Heiland der Welt,« murmelte sie und blickte nach oben, »gib ihm die heilige Kraft, die zur Buße führt! Er ist nicht schlecht gewesen von Anbeginn; auch das Schicksal hat schuld an ihm; – ach, und deine Liebe ist ja unendlich! Hilf mir, daß ich ihn rette –: so soll er glauben lernen, daß du am Kreuze gestorben bist auch zur Erlösung für ihn!«
    Schritte erschollen aus der Richtung des Albanergebirges.
    Nero erwachte.
    »Halte dich ruhig, Geliebter!« hauchte sie tonlos.
    Er aber war schon emporgesprungen. Unter dem Mantel ergriff er den Dolch.
    »Nein,« sprach er, »laß uns den Männern entgegengehn!«
    Es waren Landleute, die, dem Drang der Ereignisse folgend, noch in die Stadt wollten.
    »Ihr kommt aus Rom?« fragte einer der beiden Kolonen. »Was gibt's dort Neues? Hat man den Kaiser in Haft genommen?«
    »Man sprach davon,« erwiderte Acte. »Genaues wissen wir nicht.«
    Das Herz schlug ihr bis in die Kehle hinauf.
    Die Landleute schritten vorüber.
    »Es lebe Galba!« sagte der eine, der eben gefragt hatte. »Ans Kreuz mit Nero dem Volksverwüster! Ich zahle dir zwei Septunzen des besten Cypriers, wenn ich's erlebe, daß man den Schuft nach den Gemonischen Stufen schleift.«
    »Man wird ihn zu Tode prügeln,« sagte der zweite. »Das ist die uralte Strafe für den Landesverrat.«
    Nero schauderte. Fester umklammerte seine Faust den Griff des Stiletts. So eilte er vorwärts.
    Acte ging schweigend neben ihm. Sie hatte so tausenderlei auf der duldenden Seele. Es drängte sie, ihn zu fragen, ihn auszuforschen . . .; kaum widerstand sie noch. Dann spürte sie wieder ein heißes Verlangen, ihm dies oder das zu erklären; mit einem Worte: Licht zu schaffen für ihn und für sie. Doch sie bezwang sich. Das alles war jetzt unmöglich. Er mußte geschont, er mußte getröstet werden.
    Abermals tönten Schritte. Ein Soldat kam vorüber. Er mochte auf Urlaub gewesen sein.
    Nero blickte ihm frei ins Gesicht.
    Der Krieger erkannte ihn.
    »Ave Cäsar!« erklang es von seinen Lippen.
    »Ich danke dir,« sagte
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