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Nero

Nero

Titel: Nero
Autoren: Ernst Eckstein
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und so ziellos. Von plötzlichem Grausen ergriffen, eilte er weiter. Der Hall seiner eigenen Schritte entsetzte ihn.
    »Cassius!« rief er noch einmal. Dann horchte er.
    Alles still. Eine Verzweiflung ergriff ihn, wie er sie nie zuvor im Leben gekannt hatte. Und da er nun wieder im Spiegelglanze der Goldplatten sein hohlverzerrtes Antlitz gewahrte, da stürzte er mit dem Schwert darauf los, und hieb wie ein Rasender in das blanke Metall ein, bis die Klinge zersprang und der Schwertstumpf aus seiner erschöpften Hand klirrend zu Boden fiel. Horch, wer war das? Deutlich vernahm er den helldröhnenden Mahnruf, der ihm den letzten Schimmer von Hoffnung nahm.
    »Holt ihn heraus!« klang es voll dämonischer Tücke. »Schleppt den Buben vor den Senat! Oder wollt ihr ihm Zeit lassen, Gift zu trinken?
    Es überlief den Verratenen eiskalt vom Wirbel bis zu der Sohle. Das war die Stimme des Tigellinus. Eine Sekunde lang war dem Kaiser zu Mute, als ob sich ein dunkler Flor über sein Haupt lege. Er taumelte. Stöhnend sank er auf's nächste Ruhebett.
    Schritte – Schritte in unmittelbarster Nähe. Hastig fuhr er empor. Die bebenden Finger suchten nach einer Waffe. Da . . . im Gürtel der Tunica steckte ein syrischer Dolch. Blitzschnell fuhr die Hand nach dem Griffe – – um gleich danach wie gelähmt wieder herabzugleiten.
    Zwischen den teppichumwallten Thürpfosten stand eine Mädchengestalt, ein Traumbild, eine zauberhafte Vision.
    Claudius Nero fiel in die Kniee.
    »Acte!« rief er, sein blutloses Antlitz verhüllend. »Die Toten stehen aus ihren Gräbern auf! Das Ende aller Dinge ist da, und mit dem Cäsar stirbt auch die Welt!«
    »Nero,« sagte das Mädchen, »ich bin's leibhaftig, die glücklich-unglückselige Acte, die einst an deinem Herzen geruht hat. Ich bin tot gewesen . . . für dich. Im Verborgenen aber, von keinem geahnt, hab' ich dein Leben verfolgt wie mein eigenes, und Thränen um dich geweint, Thränen . . .«
    Nero hatte sich langsam emporgerichtet. Scheuen Blicks schaute er in das himmlische Antlitz, an dem die Jahre der Einsamkeit, der Entsagung, des Jammers über den grausenhaften Verfall ihres Idols spurlos vorübergegangen waren. Nur bleicher war sie als sonst, und die süßen, tiefblauen Augen erschienen jetzt größer. Ja, sie hatte geweint und gebetet, wie eine Mutter um ihr verlorenes Kind betet. Jede Botschaft von den Missethaten des Cäsars hatte ihr Herz zerrissen, und das Mahnwort ihr in die Seele geschleudert: ›Du mußt ihn hassen, der so schmachvoll entarten konnte.‹ Dennoch: sie strahlte im vollen Zauberschein ihrer Jugend. Sie war noch ganz die berückende, blonde Acte von einst, die gleich bei jener ersten Begegnung so viel Duft und Licht in die Seele des makellosen Jünglings gegossen.
    »Acte!« rief Claudius Nero, zurückprallend vor dem Anblick seines wonnigen Jugendtraumes. »Was suchst du? Wehe, du kommst zu spät! Rase ich denn? Also das Meer hat dich nicht behalten? Alles dies war ein Märchen, eine verwerfliche Lüge? Und du konntest jahrelang einsam dahinleben und meine Seele verschmachten lassen?«
    »Ich mußte wohl. Das Gesetz Gottes hat es gewollt. Ach, und später – Nero, Nero, mir grauste, wenn ich von fern deinen Namen hörte.«
    »So willst du mich schmähen? Jetzt in diesem schrecklichen Augenblick? Ach, wärst du emporgetaucht aus deiner Verborgenheit, wahrlich, Acte, dies alles wäre anders gekommen! Ich bin ein Frevler geworden, ein Feind des Menschengeschlechts, weil hier in der Brust mir ein Abgrund gähnte, den nichts, nichts auf dieser Erde mehr ausfüllen konnte.«
    »Der Glaube an Gott hätte ihn ausgefüllt. Schau mich nicht so verzweiflungsvoll an! Ich komme, um dich zu retten.«
    »Du? Die Hohe, die Herrliche? Du willst den Tyrannen retten, der alles zertreten hat, der am Lebensmarke des Reichs gesogen, den Bluthund, den Hunderttausende mit ihren Flüchen verfolgen?«
    »Ja!« versetzte sie, seine Rechte ergreifend. »Du hast mich, da du noch glücklich warst, dein Alles genannt: ich will es nun sein, da sich die ganze Welt wider dich auflehnt. Nein, nein, rede nicht länger! Ich frage nicht, was du begangen hast, und ob dir Gott in seiner unendlichen Gnade jemals vergeben kann! Ich weiß nur das eine: daß ich dich liebe!«
    »So muß es dennoch eine göttliche Kraft sein, die deine Seele gestählt hat!« rief der Cäsar erschüttert. »Acte, Acte, mein ewig beweintes Glück!«
    »Komm!« sagte sie schluchzend. »Eine lederne Pänula, wie
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