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Nero

Nero

Titel: Nero
Autoren: Ernst Eckstein
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sie die Arbeiter tragen, wird dich unkenntlich machen. Mich aber hat man in Rom längst vergessen. Wandle gebeugt und stütze dich auf den Stab! Deine Hand lege mir fest in den Arm! So! Ich habe den richtigen Augenblick abgepaßt. Wo ist Phaon? Hat auch Phaon dich treulos im Stiche gelassen?«
    »Hier, hier!« sagte der Freigelassene, starr vor Erstaunen. Er war just in die Thüre getreten. »Was planst du? Sprich, Acte! Ich gehorche dir blindlings.«
    »Hörst du den Lärm im Vestibulum?« versetzte das Mädchen. »Die letzte Scheu vor der Unantastbarkeit dieser Räume bricht jetzt zusammen. Das Volk stürmt vom Vicus Cyprius her in den Vorhof. Jenseits aber, wo sich das Myrtengehölz an den Teich lehnt, fand ich die Gasse verwaist.
    Zwei Freunde von mir, Nazarener, – hörst du, Cäsar? – harren dort mit der nötigen Gewandung und einer Strickleiter. Wir überklettern die Mauer. Meine Genossen sind stark. Sollte der Zufall jemanden da vorbeiführen, wohl, so geben sie ihm zu schaffen, bis wir entronnen sind. Du, Phaon, eilst dann voraus. Ich denke, dein Landhaus wird uns zunächst ein Versteck bieten. Hat sich Rom erst beruhigt, so wird es ein leichtes sein, bis ans Meer zu entkommen, wo uns ein Schiff nach Hispanien trägt und von dort hinauf an die fernen Gestade Germaniens.«
    So sprechend, schritt sie, von Nero und Phaon gefolgt, schon hastig von Raum zu Raum.
    »Und dann?« fragte der Cäsar.
    »Dann will ich dir beten helfen, daß Gott dir verzeihen möge, wie er einst mir verziehen.«
     

Sechzehntes Kapitel
     
    Eine schimmernde Mondnacht breitet ihren mattglänzenden Schleier über die römische Ebene. Schwarzblau ragt das Sabinergebirge gegen den Himmel auf. Drüben in langer, gespenstischer Linie dunkeln die riesigen Aquädukte.
    Die Straße liegt einsam. Alles, was Leben fühlt und Bewegung, ist ja nach Rom geströmt, wo morgen in aller Frühe der Einzug des Galba erwartet wird.
    Nur zwei Gestalten, dicht aneinander gedrängt, schreiten über die Lavaplatten des Heerwegs: Nero und seine bebende Retterin. Phaon ist mit dem kaiserlichen Geheimschreiber Epaphroditus, der als einziger unter der zahlreichen Höflingsschar gleichfalls an die Rettung des Cäsars gedacht hat, zu Pferde vorausgeeilt, um alles vorzubereiten. Für Claudius Nero hat Acte es sicherer gehalten, zu Fuße zu gehen, wie ein wandernder Künstler. Wer ihm begegne, werde sich sagen: ›Unmöglich . . . So flieht kein Herrscher, dem ein tosendes Volk auf den Fersen ist!‹ Jeder Verdacht müsse dann schwinden.
    Was mag in der Seele des flüchtenden Imperators vorgehen? In der Linken hält er das Tuch, mit dem er sich bis zur Erreichung der Stadtgrenze das Gesicht verdeckt hat; mit der Rechten umklammert er krampfhaft die schlanken Finger seiner Begleiterin.
    Wie jetzt die Straße sich wendet und der Mond voll in das Antlitz des jungen Mädchens scheint, blickt Nero ihr zum erstenmal, seit sie dahinschreiten, voll in die Augen.
    Das sind noch dieselben treuen, hingebungsvollen Augen, die ihn einst im Zelt des Aegypters so glückverheißend, so mild, so beseligend angestrahlt.
    Welch ein klaffender Abgrund zwischen damals und jetzt! Ein Strom von Blut gurgelt in diesem Abgrund; wildes Hohngelächter hallt in vieltausendfältigem Echo über dem dampfenden Strudel.
    Ach, und dennoch: diese Augen lächeln wie einst, holder noch, himmlischer, denn sie lächeln durch Thränen.
    Gibt es doch vielleicht einen Trost für den Trostlosen, – Gnade für den, der nicht Gnade gekannt hat, weder mit sich noch der Menschheit?
    Erschöpft von den Aufregungen des Tages, voll Haß, Zorn, Reue, Verzweiflung, bleibt er stehen und stützt sich auf den Arm der Geliebten, – der Zeus von einst auf den Arm der ehemaligen Sklavin. Dann sinkt er auf die Trümmer eines vergessenen Grabmals.
    ›Sei mir gegrüßt, fromme Seele‹ – liest er auf dem dunklen Basaltstück, das dem Gemäuer entbröckelt ist.
    Er fährt empor. Hier darf er nicht rasten! Die Stätte hier ist geweiht, – und er ein Geächteter, ein Verbrecher, von dem die grauenhaftesten Missethäter des Orkus die Augen hinwegwenden, um nicht zu erstarren, wie Menschen und Götter beim Anblick des natternumzischten Medusenhauptes.
    Acte zieht ihn sanft wieder herab.
    »Ruhe du nur!« flüstert sie und legt ihm beschwichtigend ihre freundliche Hand auf die Stirne. »Mir sagt's mein Herz: es droht uns keine Gefahr. Komm! Beug dich hernieder! Leg mir dein Haupt in den Schoß! Schlummre! Ich wache für
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