Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
Freude darüber kaum zügeln. Der Junge war der Schlüssel. Er würde Avartos in ihren Bau führen, nach Bantoryn, in das Nest jener, die alles gefährdeten, was die Existenz seines Volkes begründete, und Avartos würde die Welt von ihnen befreien – ein für alle Mal.
    Geduldig sah er zu, wie der Junge den Boden des Restaurants reinigte, das Licht löschte und durch eine schmale Holztür in den Keller ging. Ein kaum merklicher Schimmer glitt unter der Tür hindurch, kurz hörte Avartos noch die Schritte des Jungen, dann war es still.
    Zum ersten Mal, seit er auf dem Dach Position bezogen hatte, wandte Avartos den Blick. Er schaute in die Richtung, in die Antonio verschwunden war, und fühlte noch einmal das zitternde Flattern des goldenen Schmetterlings, dieses hilflosen Zaubers, der eine Botschaft gewesen war. Etwas Schreckliches musste geschehen sein, wenn jene eines ihrer obersten Gesetze brachen und auf so unvorsichtige Weise miteinander in Kontakt traten. Er warf einen letzten Blick in Richtung des Restaurants, ehe er herumfuhr und Antonios Fährte aufnahm. Der Herzschlag des Jungen war Avartos bis ins Mark gefahren. Als leiser Impuls pochte er durch seine Brust, als wäre es sein eigenes Herz, das da schlug. Avartos glitt mit gewaltigen Sprüngen über die Dächer, und sein Lächeln verstärkte sich. Niemals würde er diese Beute verlieren. Der Tag seines Triumphs war nah.

4
    Obolus.
    Die Leuchtbuchstaben spiegelten sich in den Pfützen und warfen blaues Licht auf Bhroroks weiße Haut. Regungslos schaute er durch die schwarzen Augen seines Spiegelbildes ins Innere des Restaurants. Hinter den Fenstern lag Dunkelheit – und Licht. Schwach leuchtete es hinter dem Tresen auf, die Ahnung eines Schimmers bloß. Aber wo Licht war, da war auch Leben, das hatte Bhrorok in dieser lauten, stinkenden Welt schnell gelernt.
    Er legte seine rechte Hand gegen die Tür. Schwarze Risse durchzogen das Glas und färbten es dunkel wie verfaulende Blätter. Leise blies er seinen Atem dagegen und ließ es als Ascheflocken zu Boden rieseln. Es knirschte, als er seinen Fuß auf das Linoleum setzte, und ein widerwärtiger Gestank schlug ihm ins Gesicht. Stöhnend wischte er durch die Luft, als könnte er ihn so vertreiben, und drehte sich ungeduldig zu seinem Wolf um. Nur widerstrebend sprang das Tier durch die offene Tür, die Lefzen hochgezogen, und lief unschlüssig hin und her. Bhrorok zog ein Tuch aus seinem Mantel, ein schwarzes, schmutzstarrendes Etwas, und presste es sich vor die Nase. Erleichtert sog er den Duft von Blut und Verwesung ein. Dann hörte er auf zu atmen.
    Sein Blick glitt über den feucht glänzenden Boden. Die Stühle standen auf den Tischen, aber eine der Herdplatten hinter dem Tresen war noch warm. Ein boshaftes Lächeln kroch auf Bhroroks Lippen, als er auf das Licht zutrat. Es fiel als schmaler Kranz aus der geschlossenen Kellertür, und da – irgendetwas rumorte dort unten. Für einen Moment kam Bhrorok der Gedanke, mit einem kräftigen Tritt durch die Decke zu brechen und die Kreatur im Fallen zu erschlagen. Aber ein derart rasches Ende seiner Opfer war nicht nach seinem Geschmack, und außerdem durfte der Junge nicht sterben, ehe Bhrorok von ihm bekommen hatte, was er brauchte.
    Er ließ die Knöchel seiner rechten Hand knacken und öffnete die Tür zum Keller. Die nackte Glühbirne flackerte kurz. Eine staubige Steintreppe führte abwärts, er roch mindestens achtzehn Spinnennester und unzählige Asseln unter den Platten. Ihre Leiber knackten, als er die Steine mit seinen Schritten vereiste und zum Bersten brachte. Nach wenigen Stufen konnte er einen Blick in den Keller werfen und sah lange Gänge aus Kisten, Kartons und Regalen, die sich am Ende in fahlem Dämmerlicht verloren. Der Wolf war auf eine Kiste gesprungen, in kurzen, scharfen Atemzügen sog er die Luft ein, dann verschwand er in einem der Gänge. Bhrorok bewegte die Finger, als würde er ein Musikstück dirigieren, und ließ dabei schwarze Nebelfäden aus seinen Händen entweichen. Zäh waberten sie in den Raum und schwängerten die Luft mit ihrem Gift, das jedes Geschöpf mit Ausnahme ihres Schöpfers und seines Wolfs binnen weniger Momente lähmen würde.
    Suchend ließ Bhrorok den Blick durch die Gänge schweifen, er spürte, wie das Ungeziefer ihm nachkroch, hörte auch den Wolf, der einen Gang nach dem anderen absuchte, und sah das flackernde Licht am anderen Ende des Kellers. Dort scharrte etwas, er hörte es atmen, etwas, das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher