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Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Titel: Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
Autoren: Susanna Ernst
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durch alle Höhen und Tiefen begleitet. Und verdammt, sind einige dieser Tiefen
tief
gewesen.
    Wie oft hatte ich das verblichene Instrument, an dessen Oberfläche sogar schon die Lackschicht absplittert, in meinen Händen gehalten? So, wie es jetzt in ihren liegt.
    Doch meine Finger waren schwerer gewesen als ihre, so viel schwerer. Und ungeschickter, trotz der jahrelangen Übung, trotz der Routine, die ich hätte haben müssen.
    Gemeinsam hatten wir auf der Veranda vor dem Haus meiner Schwester gesessen, während ich mit steifen Fingern versucht hatte, bedeutungsvolle kleine Botschaften – in zittrigen Tönen verpackt – von meinem in ihr Herz zu schleusen. Vergeblich. Immer wieder vergeblich, wie es schien. Sie lauschte, lächelte wissend, stand auf … und ging.
    Weg von mir. Zurück zu ihm.
    Als sich mein Aufenthalt dem Ende neigte und der Abschied nahte, redete ich mir ein, es würde nicht halb so schlimm um mich stehen, wie ich es damals – zu Recht – annahm.
    Ich hoffte, mich zu irren, und sagte mir immer wieder, es würde ein Leichtes werden, mich emotional und gedanklich von dieser jungen Frau zu lösen, wenn ich sie nur nicht mehr jeden Tag sehen müsste.
    Aus den Augen, aus dem Sinn, so hieß es doch …
    Es dauerte nicht lange, da fand ich mich in der Wohnung meines besten Freundes wieder, klimperte traurige Akkorde auf meiner geduldigen Gitarre und trank ein Bier nach dem anderen, in der Hoffnung, die Lösung meiner Probleme in dem Verlust meiner Selbstkontrolle zu finden.
    Ich stürzte mich beinahe wahllos in Rollen, die ich unter anderen Umständen nie angenommen hätte, nur um nicht ich selbst sein zu müssen. Der Idiot, der sich – wider besseres Wissen – in ein bereits vergebenes Mädchen verliebt hatte.
    Entgegen meiner Erwartungen hatte Randy mich nicht verspottet. Nicht ein einziges Mal. Ich frage mich bis heute, ob es wirklich möglich ist, dass ein Mensch einen anderen so gut kennt.
    Was für ein Vollidiot du doch warst, Ben!,
raune ich meinem vergangenen, wehmütigen Ich nun in Gedanken zu.
Dich stumm und reglos nach ihr zu sehnen, während sie zwei Tagesreisen entfernt mit jemand anderem zusammen war.
    Und dann wieder … gab es die Höhen: Allen voran der Moment, als ich die Tür öffnete – mein Textbuch in der Hand, bereit für die Probe – und sie plötzlich vor mir stand. Wie aus dem Nichts, ohne jede Ankündigung. Die vom Aprilwind zerzausten Haare, der seltsam unsichere Blick – jedes Detail ihres Anblicks ist bis heute abgespeichert und jederzeit abrufbar.
    Die Magie einer Erinnerung.
    Sie begleitete mich ins Theater, zu meiner Probe. Ständig vergaß ich den Text. Zu aufgeregt, um Konzentration auch nur heucheln zu können, bot ich ihr die miserabelste Darstellung aller Zeiten. Erst als das Saallicht anging und sie tatsächlich noch immer auf ihrem Platz in der fünften Reihe saß – ein nachsichtiges Lächeln im Gesicht –, beruhigte sich mein rasender Puls wieder.
    An diesem Abend spielte ich ihr zum ersten Mal ihr Lied vor.
    Meine Finger zitterten so heftig, dass lediglich die Hälfte der Noten richtig klang, während meine Stimme immer wieder wegbrach, als gehöre sie nicht mir selbst, sondern zu einem pubertierenden Jungen in seinen schlimmsten Stimmbruch-Zeiten.
    Als der letzte Akkord verhallte und ich die Gitarre zur Seite stellte, konnte ich nur auf meine Hände herabstarren.
    Aber sie glitt auf meinen Schoß, platzierte meine Fingerspitzen auf ihren Hüften und umschloss mein Gesicht mit ihren Händen.
    »Ich liebe dich, Ben!«, sagte sie. Schlicht und einfach.
    Die Erinnerung bringt mein Herz erneut zum Rasen und holt mich endlich zurück.
    Zögerlich strecke ich meine Hand aus. Sie bemerkt meine Bewegung nicht einmal. Ihre leicht geschürzten Lippen bewegen sich lautlos; sie singt. Gewisperte Songtexte – viel zu leise, als dass ich sie hören kann.
    »Lauter, bitte«, murmele ich und lasse meine Fingerspitzen dabei über ihren Arm gleiten.
    Sie zuckt leicht zusammen, erschreckt durch die Berührung oder vielleicht auch über meine vom Schlaf getränkte Stimme, die sogar in meinen eigenen Ohren rauh und viel zu tief klingt.
    Dennoch verstreicht nur ein Herzschlag, bis ihre Mundwinkel zucken und ein süßes kleines Lächeln formen. »Keine Chance!«
    Mit gerunzelter Stirn stütze ich mich auf die Ellbogen hoch. »Warum nicht?«
    Sie bewegt sich langsam und gewohnt bedacht. Mit beinahe ehrfürchtiger Vorsicht lehnt sie die Gitarre gegen die Bettkante, wobei
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