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Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Titel: Nemesis 04 - In dunkelster Nacht
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Gerüche im Zimmer zu konzentrieren, wenn ich schon nicht fähig war, mich umzusehen. Möglicherweise hatte Marias Pistole doch noch zwischen ihren Kleidern gelegen. Aber wenn es so war – wer hatte hier auf wen geschossen? Carl und Ellen waren zuerst aus dem Zimmer geflüchtet. Vor Judith vielleicht?
    Nein. Ich schloss die Augen, um mich besser konzentrieren zu können, aber ich roch kein Pulver und kein Blei, sondern nur getragene Kleidung, Schweiß, Blut, aber auch noch den schwachen Duft Judiths, einen sanften Hauch der Liebe. Niemand hatte in meiner unmittelbaren Nähe geschossen.
    Dennoch waren sie alle fortgelaufen, von hier geflohen.
    Ein dumpfer Schmerz breitete sich in meinem Hinterkopf aus, der anders, irgendwie natürlicher wirkte, als jenes Stechen, Hämmern und Dröhnen, das mich im Laufe dieser Nacht so oft heimgesucht hatte. Hatte Ellen nicht von einer Gehirnerschütterung gesprochen? Mir war übel. Aber ich musste fort von hier. Wenn alle den Raum fluchtartig verlassen hatten, musste es einen triftigen Grund dafür geben. Möglicherweise roch ich nur deshalb nichts, das auf den Gebrauch einer Schusswaffe hindeutete, weil ich am Boden lag und zu wenig Zeit verstrichen war, als dass der Geruch das gesamte Zimmer hätte ausfüllen können. Vielleicht stand der Mörder gerade in dieser Sekunde hinter mir und wartete nur darauf, dass ich ihn noch einmal ansah, damit er sich an der Todesangst in meinem Blick laben konnte, ehe er eine dritte Kugel abfeuern und mich wie Ed und Stefan einfach auslöschen konnte! Ich musste weg von hier, ich war in Gefahr!
    Der Ohnmacht wieder wesentlich näher als dem klaren Bewusstsein zwang ich mich mit aller Macht, die Augen ganz zu öffnen. Die nackte Glühbirne, die unter der Decke baumelte, starrte wie ein böses Auge auf mich herab und quälte mich mit ihrem hellen Schein, sodass ich angestrengt blinzeln musste und es mir enorme Willenskraft abverlangte, der Bewusstlosigkeit, die wieder zum Greifen nah war und mich mit wohltuender Dunkelheit einhüllen wollte, nicht einfach nachzugeben.
    Aber die Erfahrungen dieser Nacht hatten mich gelehrt, dass das, was mich in ihr erwartete, ungleich schrecklicher war als alles, was die Wirklichkeit mir bieten konnte, zumal diese Ohnmacht vielleicht die letzte sein würde, in die ich fallen könnte. Der Mörder, der hier umherschlich, war möglicherweise alles andere als dumm, trotzdem aber zweifellos ein Wahnsinniger, der es ohnehin vorzog, aus dem Hinterhalt zu töten und beileibe keine Skrupel hätte, einen schlafenden Mann zu erschießen. Ich musste mich zusammenreißen, durfte nicht aufgeben, der Bewusstlosigkeit nicht nachgeben, ehe ich nicht zumindest dieses Zimmer verlassen hatte und mich wieder bei Judith und den anderen wusste. Leiden konnte ich später noch immer, verdammt noch mal, dachte ich, während ich mich stöhnend zur Seite drehte und mit gewaltiger Anstrengung, so als bewegte ich mich durch einen zähen Brei, Millimeter für Millimeter auf den Ausgang zu kroch. Zumindest hoffte ich inständig, dass ich in diesem Leben noch Gelegenheit dazu finden würde, mir selbst Leid zu tun. Mein Herz hämmerte wie eine Trommel in meiner Brust, und die Kleider, die ich vorhin erst frisch angezogen hatte, klebten schon wieder schweißnass auf meiner kalten Haut. Ich hatte mich noch immer nicht umgesehen und zog es vor, das bisschen Kraft, das die pure Angst mir verlieh, auf meine Flucht zu verwenden. Ich hörte mein eigenes Blut wie einen reißenden Fluss in meinen Ohren rauschen, meinen eigenen Puls durch meine Gehörgänge dröhnen. Atmete jemand hinter mir?
    Endlich erreichte ich die Tür und zog mich erschöpft über die Schwelle. Adrenalin wurde in Kübeln in meinem Inneren ausgeschüttet, als mir die Idee durch den Kopf ging, der Mörder könne nur auf genau diesen Augenblick gewartet haben, um mich in der Sekunde, wenn ich mich schon beinahe in Sicherheit wähnte, mit einem sadistischen Lächeln zu erschießen. Meine Finger krallten sich in das morsche Holz des Türrahmens, keuchend zog ich mich daran in die Höhe und versuchte, mich auf den Beinen zu halten, doch sie fühlten sich an, als hätten sie auf einmal keine Knochen mehr.
    Das hier war ein Albtraum, redete ich mir verzweifelt ein. So etwas konnte, so etwas durfte es in der Wirklichkeit nicht geben. Und wenn es nur ein gottverdammter Traum war, dann konnte, musste ich jetzt den Willen aufbringen, ihn zu beeinflussen, zu steuern, selbst zu entscheiden, wie er
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