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Nemesis 03 - Alptraumzeit

Nemesis 03 - Alptraumzeit

Titel: Nemesis 03 - Alptraumzeit
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fühlte mich so schwach und hilflos wie nie zuvor in meinem Leben.)
    »Carl«, sagte ich tonlos. »Frag ihn. Er war vor mir hier.«
    »Ich … Ich bin aus dem Keller gerannt, als die Decke eingestürzt ist«, begann Carl stockend und hilflos den Kopf schüttelnd. »Ich bin hierher geflohen. In die Küche.
    Alles war dunkel … Aber da hat er noch gelebt … «
    »So?«, fragte Ellen misstrauisch. Ich musste nicht über hellseherische Fähigkeiten verfügen, um eine recht genaue Vorstellung davon zu haben, was in ihrem Kopf vorging. Meine Kapriolen schlagenden Gedanken verfolgten diesmal zielgerichtet einen Weg, an dessen Abzweigung sie vor wenigen Augenblicken schon einmal in die Irre gelaufen waren. »Und was hast du dann getan?«, fragte die Ärztin.
    Insgeheim hatte Ellen die Worte des langhaarigen Wirts vermutlich schon als ausreichendes Geständnis verarbeitet. Ed hatte noch gelebt, als Carl hier aufgetaucht war, und nun kauerte er blutverschmiert neben seiner Leiche. Eigentlich hatte auch ich mein Urteil längst gefällt, zumal ich den Späthippie schon zuvor im Stillen als Stefans Mörder abgeurteilt hatte. Aber ich zog es vor, nichts zu sagen, sondern ihn weitererzählen zu lassen.
    Schließlich waren auch Judith und ich über und über mit Blut besudelt und mussten nach gründlicher Überlegung, zumindest in Ellens Augen, ebenso für den grausamen Mord an Ed in Frage kommen wie der noch immer auf dem Linoleumboden kauernde Wirt. Carl sollte weiterreden, seinen zweiten Mord, den er allem Anschein nach selbst nicht verkraftete und der ihn in den Zusammenbruch getrieben hatte, ruhig in allen Details zugeben, das Attentat auf Stefan am besten gleich auch noch, damit wir ihn guten Gewissens gemeinsam um die Ecke bringen konnten. Nach allem, was wir hier erlebt hatten, was ich erlebt hatte, zweifelte ich keine Sekunde daran, dazu in der Lage zu sein. Schon jetzt fühlte ich den Adrenalinschub, der mir dazu verhelfen würde.
    »Dann ging plötzlich das Licht aus«, erzählte Carl weiter und auf einmal sprudelten die Worte nur so aus seinem Mund hervor, als hätte sein Gewissen sie ihm schon vor längerer Zeit auf die Zunge gelegt, wo er sie krampfhaft zurückgehalten hatte. Zumindest dachte ich das zuerst. »Ich habe Schritte gehört, aber ich konnte nichts sehen. In der einen Sekunde war es taghell und in der nächsten plötzlich stockfinster – ich war also absolut blind. Ganz leise nur waren die Schritte, aber trotzdem ganz nah. Und dann war es still.«
    Der Wirt wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. Seine Worte klangen nicht nach dem umfassenden Geständnis, das ich mir insgeheim erhofft hatte, allein schon, um endlich ein Ziel für meine Wut und Abscheu zu finden, die Eds grauenhafter Anblick und das Blut an den Wänden nun in rasender Eile in mir hochkochen ließen. Aber das alles weckte noch einen ganz anderen und nach allem, was geschehen war, nicht allzu weit hergeholten Verdacht in mir: Was hatte Carl gesagt? Ganz leise Schritte? Wir hatten zumindest einen von Marias Schuhen gefunden. Barfuß ließ es sich bestimmt leiser gehen. Ich tauschte einen vielsagenden Blick mit Judith, die den gleichen Gedanken zu verfolgen schien, denn sie blickte erschrocken in die im Dunklen liegende Empfangshalle hinaus. Dann zog sie mich unsicher und mit dem Rücken zur Wand einen Schritt weiter von der Tür weg in die Küche hinein.
    » … dass man das Gesetz selbst in die Hand nehmen muss«, wiederholte sie leise flüsternd, was Maria vorhin geschrien hatte, als wir sie außer sich vor Wut aus der Küche geschleift hatten. Ihr Blick irrte einen Moment lang hektisch durch den Raum und blieb schließlich fassungslos auf dem vor lauter Blut aus dieser Entfernung kaum noch als solches erkennbaren Hakenkreuz auf Eds Stirn haften. Gegen eine bestimmte Sorte von Schweinen. Das ist Lynchjustiz. Eiskalte Lynchjustiz!«
    Ich zog sie ein wenig dichter an mich heran und hielt sie fest. Ich wusste nicht, ob sie zusammenbrechen oder schreiend auf den Hof rennen würde, wenn ich sie losließ, entschied aber, dass beides nicht sein musste, und schloss meine Arme noch ein wenig fester um sie.
    »Ich glaube, Ed hat es auch gehört«, erzählte Carl, nun wieder schluchzend, weiter. »Zuerst hat er noch dumme Sprüche gerissen. Ich war wirklich sauer auf ihn. Verdammt, ich habe gedacht, ihr seid alle tot, und ich war völlig erschöpft und fertig mit den Nerven, und was tut er? Sitzt da und klopft dumme Sprüche!
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